Als wir jetzt über Ostern eine Schweige-und Meditationswoche abhielten, kam mir ein Satz:
Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Dinge sind dabei nicht nur sächlich gemeint, sondern wie der Japaner mit dem Wort „mono“ sagt, einfach alles, was es im ganzen Kosmos gibt.
Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Was bedeutet das? Jeder Mensch tut etwas, auch wenn er nichts tut, tut er etwas, nämlich dieses „scheinbar“ Nichts. Doch, wenn wir ganz ehrlich zu uns selbst sind, gibt es keinen Menschen, der nicht irgendetwas tut. Das Tun sind so einfach Dinge wie Trinken und Essen, zur Toilette gehen und sich waschen. Gehen wir von den basalen Bedürfnissen des Menschen weiter, müssen Menschen, die essen und trinken wollen, etwas tun, so dass sie dies können. Also gibt es Felder, die bestellt werden mit Gemüse, Hopfen, Getreide, Kartoffeln, Reis, Kaffee, Kakao. Die Menschen stellen Tiere auf die Felder und lassen sie Gras fressen oder halten sie in Herden und treiben sie über das Land, was immer weniger wird auf unserem Globus.
Wir verarbeiten diese geernteten Rohprodukte zu kauffertigen Produkten. Vor ca. 60 Jahren gab es noch das Butterfass und die Milchkanne. Heute gibt es den Tetrapack. Wir Menschen haben also Maschinen entwickelt, die die Rohstoffe verarbeiten, einpacken. Wir haben Maschinen entwickelt, die diese Produkte liefern können. Wir Menschen haben Geld als Tauschmittel entwickelt, um nicht wie teils noch vor 100 Jahren, selbst ein Produkt anbieten zu müssen, um ein anderes zu erhalten.
Wir Menschen sind also sehr erfindungsreich im Umgang mit den Dingen. Was auf dem wirtschaftlichen Markt funktioniert, funktioniert auch im sozialen Bereich. Wie sieht dies aus? Wir Menschen stellen mittels Verfahren fest, dass es „normale“ Menschen gibt und „nicht normale“ Menschen. Diese „nicht normalen“ Menschen nennen wir behindert, alt oder psychisch krank, seit Freud, die Medizin um die Krankheiten der Seele erweiterte. Dies führt dazu, dass wir Menschen nun auch hier Dinge erschaffen, die diesen Menschen helfen. Den stark pflegebedürftigen Menschen schenken wir Häuser, in denen sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gepflegt werden. Wir bauen Heime und Unterstützungssysteme auf. Um herauszufinden, was wir Menschen noch alles tun können, mit den Dingen/Menschen/Tieren/Pflanzen entwickelten sich Wissenschaften, die das erforschen.
Die Medizin lehrt uns den Umgang mit dem menschlichen Körper. Sie verspricht uns, ihn zu heilen. Während in den vorigen Jahrhunderten die meisten Menschen noch wussten, wie sie sich selber heilen können, haben sie nun dieses Tun abgegeben, ausgelagert. Heute sagen wir so schön „Outsourcing“. Die Biologie klärte über unsere Entstehung auf. Nun gibt es keinen Klapperstorch mehr oder den göttlichen Willen in der Fortpflanzung, sondern die Zellen übernehmen diese Funktion. Dabei lagerten wir Menschen die Zellen unseres Körpers ebenfalls aus und wir entdeckten, was wir alles damit machen können. Wir können klonen. Wir können mit den Zellen außerhalb unseres Körpers Wachstum erzeugen. Wir können mit Zellen ein Organ füttern.
Die Physik erreichte in der Quantenphysik eine Größe, die über die Zellebene hinausgeht. Sie betrachtet die atomare Welt. Dabei erkannte sie, dass es Prozess in den Atomen gibt, die mit Begriffen wie Unschärfe, Wahrscheinlichkeiten, Korrelationen usw. bezeichnet wurden. Synthetische Lebensmittel und Medizin, die Atombombe entstanden.
p(A) | = | Zahl der günstigen Fälle geteilt durch die Zahl der möglichen Fälle |
Menschlichkeit ist also der Umgang mit den Dingen. Und wie dieser kurze Abriss einen nur winzigen Ausschnitt unseres menschlichen Tuns zeigt, erschaffen wir permanent Dinge, bauen sie um, bauen neu, erfinden, erforschen und entdecken immer wieder Neues. Was tut der Mensch hier eigentlich? Ist dieses permanente Tun eine Wirklichkeit oder ist es eine unendliche Wirklichkeit?
Gehen wir von dem einfachen Wort Wirklichkeit aus, so können wir sagen, dass in dem Substantiv Wirklichkeit das Tu-Wort oder Verb „wirken“ steckt. Auf der Tu-Ebene ist der Umgang des Menschen mit den Dingen also ein Wirken. Wirken steht für Arbeiten, Fertigen, Ausführen, Verrichten, Vollbringen. Wirken steht ab dem 16 Jhd. für die tatsächliche Existenz, für die Realität. Es steigt auf in das Tun als ein Handeln, ein Erschaffen als ein Schöpfungsakt. Es entsteht der Gedanke der Kreativität.
Dieses wirkliche Tun hat also immer etwas mit einer tatsächlichen Existenz eines tuenden Aktes zu tun. Wenn meine Finger hier über die Tastatur gleiten, ist der schöpferische Akt vielleicht diese Zeilen zu schreiben, aber der wirkliche Akt ist und bleibt die Berührung meiner Finger mit diesem Ding, dem wir den Namen Tastatur geben. Weiterhin Wirkliches ist an mir die Körperhaltung. Ich sitze auf einem Stuhl. Die beiden Füße berühren den Boden. Sie stehen flach auf. Meine Augen sehen etwas. Meine Ohren hören das feine Klicken der Tasten oder das leichte Brummen des Computers. Meine Zunge schmeckt vielleicht das zuletzt Gegessene oder Getrunkene. Mein Körper fühlt sich warm oder kalt an. Ich habe neben diesem, was ich da scheinbar auf der Bildfläche des Computers sehe, also noch wirkliche Existenz. Ich lebe.
Doch, was passiert da auf dem Computerbildschirm. Ich sehe etwas, das wir als Buchstaben bezeichnen. Buchstaben sind ein langwieriger kultureller Aspekt. Über tausende von Jahren entwickelten sie sich durch das Tun der Menschen, indem sie ihre Zungen bewegten, feststellten, dass wir noch mehr Laute hervorbringen können als Ah oder Oh oder Uh. Wir bildeten Sprachen aus. Menschlichkeit zeichnet sich durch den Umgang mit den Dingen aus, auch dem Umgang mit dem menschlichen Potenzial Körper. Die Stimme als ein Instrument, als ein Produkt unseres Tuns, das wir nutzen und benutzen können.
D.h. die Worte, die sie jetzt hier lesen, sind abertausende von Erfahrungen von Zungen-, Mund-, Nase- und Atmungsbewegungen. Eines menschlichen Tuns. Was passiert nun aber hinter dieser Oberfläche eines Computers? Hinter dieser Oberfläche ist eine Maschine, deren Kontakte auf Strom/Energie angewiesen sind. Diese Stromkontakte setzten sich in Schalteraktivitäten um, die „an“ oder „aus“ heißen. Seitdem die digitale Technik auf dem Vormarsch ist, gibt es nur noch diese beiden Schalterstellungen. Die analoge Technik, die noch Zwischentöne und Spannungen ermöglichte, verliert immer mehr den Boden. Was bedeutet das für den menschlichen Umgang mit den Dingen?
Wir reduzieren uns scheinbar selbst. Wir verkleinern unsere Welt der Dinge, auch wenn wir glauben, wir hätten über die Digitalisierung unsere Welt vergrößert, weil wir können nun jederzeit nachschauen, wieviel Uhr in Südamerika ist. Wir können nachlesen, wieviel Tote weltweit es an Covid 19 gibt. Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus beläuft sich aktuell auf mehr als 3 Millionen. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1103785/umfrage/mortalitaetsrate-des-coronavirus-nach-laendern/). Die Letalitätsrate zeigt das Verhältnis von Toten zu Infizierten an. Sie liegt derzeit weltweit bei 2,6 %. Wir lesen dies und halten dies für eine Wirklichkeit, wie die Buchstaben auf dem Bildschirm, die Bilder im Fernsehen oder die Monitoraufnahmen des Ultraschallbildes. Doch, was ist die Wirklichkeit wirklich? Ist sie so klein, dass sie in 0-1-Folgen gefasst werden kann? Jede Bibliothek der Welt gibt mehr Information als ein Netz aus 0-1-Folgen, das irgendjemand füttern muss. Jeder Mensch ist “uni-versell”, dass heißt alles, was möglich ist, spiegelt sich in ihm wieder. Was ist wirklich wirklich?
Doch, was geschieht hier mit uns? Wir gleiten in eine Welt der Wahrscheinlichkeit ab. Leise und unbemerkt verliert der Mensch seinen menschlichen Umgang mit den Dingen. Die Welt geht in Zahlen auf. Diese Zahlen beruhen auf Berechnungen, die auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung basieren. Wer sich ein wenig mit Mathematik auskennt, weiß, dass die Wahrscheinlichkeitsrechnung eine der merkwürdigsten mathematischen Größe ist, weil sie eben keine tatsächliche Existenz mehr beschreibt, sondern eben Angenommenes, eben Wahrscheinliches. Dabei wird uns Menschen erklärt, dass diese Wahrscheinlichkeiten der Realität sehr nah kommen. Doch, ist das wirklich so?
Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Wenn wir unsere menschliche Welt auf Wahrscheinlichkeiten aufbauen, was passiert dann mit dem menschlichen Umgang mit den Dingen, die den Menschen auszeichnen?
Eine Meditierende verlor letzte Woche ihre Mutter. Sie verstarb. Sie steht mir gegenüber und sagt, dass dieses letzte Jahr einfach nur unmenschlich war. Warum? Weil sie hätte eine Maske getragen, hätte gut 2 m von ihrer im Rollstuhl sitzenden Mutter gestanden, die noch hinter einer Scheibe saß. Kommunikation? Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen.
Wir produzieren in den letzten Monaten soviel Müll wie lange nicht. (https://www.br.de/nachrichten/bayern/volle-tonne-im-corona-lockdown-produzieren-wir-mehr-muell,SN8BL4L). Umwelt und Ökologie scheint in weite Ferne zu rücken. Ja, es fliegen weniger Flugzeuge, Autos fahren weniger, aber hier direkt vor unserer Haustür entstehen Berge von Müll durch Anlieferung von Dingen. Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Wo ist jetzt der Gedanke einer Greta Thunberg hier im direkten wirklichen Tun?
Der Knopfdruck am Computer. So leicht. So einfach. Ein solcher Knopfdruck verwandelt sich in eine Wirklichkeit, die zum Beispiel darin besteht, dass unsere Hände und unsere Körper Müll entsorgen müssen. Die scheinbare saubere Welt dieser Maschine löst sich auf in Bergen von Müll, die nicht mehr scheinbar oder wahrscheinlich sind, sondern ganz wirklich. So wirklich wie das Absterben der Bäume durch den Borkenkäfer im Sauerland oder das Abholzen des tropischen Regenwaldes für Fleisch und Obst für die Exportländer, die auch Deutschland heißen.
Die Welt der Wahrscheinlichkeit, die berechnet, dass so und so viele Menschen sich impfen lassen müssen, dann… Die Welt der Wahrscheinlichkeit, die mit Inzidenzen das Tun einer Politik begründen will, wobei die Inzidenz nichts Anderes ist als eine Zahl, die positive Tests auf 100 000 Einwohner angibt. Um diese Zahl nachweisen zu können, brauche wir Inzidenzen, also brauchen wir mehr Tests, also schaffen wir Regelungen, die uns Tests beschaffen und dann können wir wieder aufgrund dieser wahrscheinlichen Ergebnisse neu handeln. D.h. wir Menschen handeln schließlich nicht mehr nach wirklichem Geschehen, sondern befinden uns in einer Art „Fata morgana“, die alle Menschen für die wirkliche Welt halten, weil sie die wirkliche Welt nicht mehr kennen. Wo ist sie geblieben? Was ist die wirkliche Welt wirklich?
Die menschliche Berührung, die einen Säugling wachsen lässt. Das Anfassen eines Buches, einer Pflanze, eines Menschen verschwindet in den Tiefen von Wahrscheinlichkeiten, so dass das wirkliche lebendige Leben erlahmt. Wir Menschen bestimmen unsere eigene Menschlichkeit im Umgang mit den Dingen. Kinder, die keinerlei soziale Kontakte haben, die aus ihrem berührenden menschlichen Umfeld herausgerissen werden, entwickeln wie die Pädagogik und Psychologie erforscht hat, sog. Hospitalismus-Erscheinungen.
Wie äußern sich diese? „Verlangsamte Motorik, eine passive Grundstimmung bis hin zur Apathie, eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten, aber auch Störungen der Wahrnehmung und beim Lernen“ (Stangl, 2021).
Ursachen sind unter anderem: Mangelnde oder fehlende emotionale Bindung und langfristiger Reizentzug. (https://www.gesundheits-fakten.de/hospitalismus/).
Social Distancing!
Hier stellt sich die Frage: Was leben wir seit nun mehr als einem Jahr? Wo sind unsere emotionalen Bindungen zu unserer sozialen Welt? Wo sind unsere Reize, wie Theater, Konzerte, Kino und Gemeinschaft? Sind wir auf den Weg eine hospitale Gesellschaft zu erschaffen, die in ihrem Endstadium nur noch apathische Bürger und Bürgerinnen kennt?
Erschaffen wir eine Welt, in der die Wahrscheinlichkeit in Form von 0-1-Ketten die Realität bilden, obwohl erst das handelnde Tun den Menschen menschlich sein lässt? Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Dieser ist so echt und wahrhaftig wie es kaum zu glauben ist. Menschlichkeit ist so bunt wie der Frühling. Er ist nicht schwarz weiß wie die Steinwelten in immer mehr Vorgärten uns vorgaukeln wollen, wo künstliche Schmetterlinge das wenige Grün zieren, während der wirkliche Schmetterling immer mehr verschwindet.
Wir sind die Menschen, die entscheiden, wie sie wirklich leben wollen. Lebendige Lebendige oder tote Lebendige? Wir Menschen sind „denkende Wesen“, so behaupten wir, dann sollten wir uns anstrengen, dieses Denken auch für die Welt und die Wirklichkeit einzusetzen, denn in einer wahrscheinlichen Welt verhungern und verdursten wir, weil niemand mehr das Gemüse pflanzt, niemand mehr die Maschine zum Ernten bedient, niemand mehr dafür sorgt, dass unser Trinkwasser sauber bleibt und dass unsere Fäkalien dorthin kommen, wo sie hingehören. Das ist Wirklichkeit. Das ist menschliches Wirken. Einen Computer, einen Mikrochip, eine Blockchain können wir nicht essen!
Wir Menschen sind menschlich im Umgang mit den Dingen. Schauen wir uns selbst bei unserem Tun zu und stellen uns die Frage im Angesicht des ganzen Geschehens von Welt: Ist das menschlich? Ist das sozial? Ist das pädagogisch? Ist das lebendig? Ist das emotional? Und die wichtigste Frage lautet: Was ist wirklich? Lasst uns immer wieder nach dieser Wirklichkeit schauen. Sie ist ein guter Leitfaden für ein lebendiges Leben.
Verwendete Literatur
Stangl, W. (2021). Stichwort: ‘Hospitalismus – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik’. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/5541/hospitalismus (2021-04-21)
Der Tenor, so lese ich deinen Beitrag, ist, dass du in der “Computerwelt” keine Wirklichkeit siehst. Diese Ansicht halte ich für viel zu sehr vereinfacht. Man sollte eine Wahrscheinlichkeit als Wahrscheinlichkeit ansehen und es nicht als bare Münze für die Wirklichkeit hinnehmen. Der Grund liegt ja darin, dass eine Wahrscheinlichkeit nur eine Wahrscheinlichkeit ist, welche einen definierten Rahmen hat und auch nur in diesem einen gewissen Sinn und Zweck besitz. Ändert sich dieser Rahmen, so hilft auch die Wahrscheinlichkeit nichts mehr. Und so gibt es Punkte an welchen diese ein Hilfsmittel sind, wie z.B. auch eine Gabel oder ein Handschuh. Baut man aber sein ganzen Leben um eine Gabel herum auf, dann wird man sicher schnell Probleme bekommen.
Den Umgang mit einer Gabel lernen wir als Kind bereits recht früh und wissen daher schon, dass sie zum Suppe essen nicht geeignet ist. Für den Umgang mit Wahrscheinlichkeiten fehlt diesen Wissen und Können. Mit der IT, dem Internet und Computern ist es genauso. Es ist ein Hilfsmittel, Teil der Wirklichkeit. Damit umgehen zu können, zu differenzieren wann es hilfreich ist diese Mittel zu nutzen und wann besser nicht, ist schwer und wird leider nur selten vermittelt. Dennoch wird es damit nicht weniger wirklich. Einen Apfel selbst, wenn wir ihn essen, nehmen wir auch nicht wahr. Wir spüren das Gewicht in unserer Hand, den Widerstand beim Biss, Riechen und Schmecken. Unsere Wahrnehmung verbindet uns und macht es zur Wirklichkeit. Arbeite ich mit dem Computer, wird auch dieser zur Wirklichkeit.
Nullen und Einsen sind nichts anderes als Buchstaben – nur sind sie für die meisten Leute nicht so einfach verständlich. Mit Nullen und Einsen kann man jedes Wort darstellen – gerade hier passiert das sogar ohne, dass wir es so wirklich merken. Es ist also eine andere Ebene der Wirklichkeit. Der eine Bauer hat ein Gefühl dafür, wann er sein Korn einholen muss, ein andere nutzt eine App. Beide nehmen dieselbe Wirklichkeit wahr – aber auf unterschiedliche Wege. Jemand blindes fühlt die Welt anders, als eine gehörlose Person sie sieht. Ist das eine nun Wirklichkeit und das Andere nicht? Wirklichkeit ist dort wo wie wirken. Wie wir aber wirken, lässt sich nur über Modelle verallgemeinern.
Die IT-Welt hat den Menschen schon eine ganze Weile überholt – viele mehr und manche weniger. Wichtig wäre ein Umgang damit zu finden, zu zeigen, dass es nur ein Werkzeug von Vielen ist; der Umgang eben auch erst gelernt werden muss. Dafür ist aber wichtig anzuerkennen, dass die Wirklichkeit an der Tastatur nicht endet. Würde sie das, dann wäre es schließlich auch kein Problem jedem Impuls nachzugeben. Welche Folgen solch ein Verhalten hat, kann man tagtäglich verfolgen, Twitter ist dafür ein trauriges Beispiel. Es gibt viele Punkte, neben der Impulskontrolle und der gefühlten bzw. “echten” Wirklichkeit die hier mit reinspielen. Vereinfacht man das Thema hin zu “Computer sind kein menschliches Wirken”, hilft nicht.
Am Ende können wir nicht alles lernen, die Kunst ist daher das Wissen um die Unwissenheit. Das Erkennen, dass die Welt komplex ist, mit steigendem Wissen immer komplexer wird, aber am Ende doch einfach nur die Welt bleibt.
Lieber Kris,
ein kleiner Hinweis zur Weiterarbeit, so dass aus der “nur Welt” “die Welt” sich entwickelt.
1. Gerald Hüther, lange Nacht der Philosphie in Zürich 2019, Thema: Würde des Menschen, https://www.youtube.com/watch?v=3cG7TapJ424
2. Ein Buch, das 2004 erschien: Kunstwerk Körper, Texte von Windsor Chorlton, Reise ins Innere des Menschen, Stern-Buch, 2004
3. Gerd Gigerenzer, Bauchentscheidungen, Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition
Es geht nicht um Ablehnungen, sondern um Bemerken. Es geht nicht um Verneinen, sondern um Bejahren, dessen, was wirklich ist, nicht das, was wirklich scheint. Bemerken ist ein Lernprozess, der gehindert ist durch unsere Voreinstellungen und Muster. Modelle sind Voreinstellungen. Bemerken ist sich die Zeit zu nehmen, die Zeit zu lassen, hinzuschauen, hinzuhören, hinzuspüren, hinzuschmecken, hinzuriechen, ohne eine Voreinstellung. Dann zeigt sich die Welt, wie sie wirklich ist. Das wünsche ich Ihnen, den es zeigt, den Reichtum und die Schönheit der Welt, die ja, die ist, die wir selbst gestalten.
Guten morgen,
was wirklich ist und was wirklich scheint ist quasi nicht zu trennen. Sobald wir etwas Wahrnehmen ist es Wirklichkeit. Die Einordnung ob es “die Wirklichkeit” ist geschieht erst durch uns – nachdem es bereits Wirklichkeit wurde. Wir Verändern uns stetig und wie wir wissen hat auch das ‘unwirkliche’ Internet darauf einen Einfluss – darin liegt, so vermute ich, auch die Motivation für deinen Blog-Beitrag.
Sich die Zeit zu nehmen, ist, was ich mit dem “Umgang lernen” meinte. In dem wir Computer und co benutzen werden sie zur Wirklichkeit – ob wir wollen oder nicht. Die Frage des ‘Wie?’ beim Wirken ist dann der kritische Punkt. Was allzu oft passiert ist, meiner Erfahrung nach, dass Computer und die ganze Technik als unwirklich eingeordnet werden. So ignorieren viele Entwickler und noch viel mehr Nutzer die Folgen aus dieser ‘unwirklichen’ Welt. Aus dem Menschen am anderen Ende des Systems wird eine unmenschliche Masse. Zwar wird dieser Vorgang durch die Technik selbst unterstützt, da ein größerer räumlicher Abstand vorhanden ist, dennoch ist es aber der Mensch selbst der diese Möglichkeit aufgreift und sich zu nutze macht. Handschriftliche Briefe, die als etwas sehr persönliches gelten, sind auch häufig auf große Distanz verfasst. Das Handschriftliche gibt dem wieder eine Persönlichkeit und bringt es näher. Genau so gibt es auch Möglichkeiten im Digitalen die Nähe und Persönlichkeit auszudrücken. Leider bleibt dies häufig ungenutzt, unbeachtet. Das ist in meinen Augen kein reines Problem der digitalen Medien, sondern viel mehr ist es ein Problem das generell besteht, aber hier erst so richtig deutlich wird. Und hier kommt auch die von Herrn Hüther genannte Würde ganz direkt mit ins Spiel. Der Mensch, die Gesellschaft, schafft es kaum in sich zu Ruhen und das bemerkt man überall. An der Kasse beim Einkaufen, beim Gespräch mit Freunden, Nachbarn und Bekannten – und eben auch im Internet.
So denke ich, dass unser beider Ansichten gar nicht so verschieden sind. Und, gerade die Unterschiede sind eine willkommene Möglichkeit den eigenen Horizont zu erweitern. Vielen Dank auch für die Verweise auf die beiden Bücher.
Gasshô
Lieber Kris,
eine Empfehlung, der du entnehmen kannst, was Internet als ein “Ich bin drin” reflektiert von der Sicht der Ungetrenntheit, kannst du in dem Buch “Nicht-Dualität” im Kapitel 11.5 nachlesen. Es ist in jeder Bibliothek zu bekommen.
Und noch eine Empfehlung. Hans Peter Dürr, Geist, Kosmos und Physik, die Verbindung von Natur-und Geisteswissenschaft denken und umsetzen, war sein Steckenpferd. Genau dafür stehe ich auch.
Ja, Gassho, eine Verbeugung – eine Wirklichkeit….in…von…mit….durch!
Liebe Ellen,
erneut vielen Dank für die Verweise. Nachdem dein Buch schon eine Weile lesebereit da lag, war das nun ein schöne Motivation die Zeit zu nehmen und hinein zu lesen.
Insbesondere den folgenden Abschnitt finde ich sehr wichtig:
“[…] Das Einzige, was wirklich zu bemängeln ist, ist, dass dies keiner bemerkt. Im Bemerken liegt jedoch die einzige Möglichkeit dem Tun zuzuschauen. Ein Zuschauen ermöglicht eine (Re-)flektion, ein Umwenden; das wäre die Umwendung als Erfahren und Erkennen des Eigensten als das Wirkende dieses Tuns. Dann würde sich das Getrenntsein aufheben.”
Mit dem lesen dieses Ausschnittes aus deiner Arbeit, erscheint auch dein Text hier wieder anders, eröffnet neue Möglichkeiten des Verständnisses.
Nun habe ich viele Anregungen zum Lesen und noch mehr zu denken, beobachten und wirken.
Herzliche Grüße