„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Kants Erkenntnistheorie
Immanuel Kant aus Kants Erkenntnistheorie.

Immanuel Kant schrieb im Dezember 1783 diesen berühmten Satz zu Beginn seiner Abhandlung „Was ist Aufklärung?“

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Thema Mündigkeit derzeit bei den Menschen vergessen wird. Dabei schreibt Kant ganz klar: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursachen derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere, aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Kant spricht von Mut. Er spricht von Selbstverschuldung. Er erinnert darin, selbstständig zu denken. Er weist darauf hin, sich nicht von Definitionen, Vermutungen, Meinungen, Erklärungen Einzelner abhängig zu machen, sondern tatsächlich selbst „mündig“ zu sein, das heißt Verantwortung für sich zu übernehmen und dafür einzustehen, was wir als individueller Geist zu bemerken haben, auch öffentlich, nicht nur privat.

Was sehen wir und wohin sehen wir?

Kant spricht aus, dass es nur eine „Aufklärung“ gibt, wenn genau diese Mündigkeit entsteht, wenn die Menschen mutig sind, „ohne Leitung eines anderen“, eine Lage, ein Ding, eine Situation für sich selbst zu bedenken, zu durchdenken. Heidegger sprach in seinen Vorlesungen zum Thema: „Was ist Denken?“ davon, dass »das Bedenklichste ist, das wir noch nicht denken«. Sollte das wirklich der Fall sein?

Denken? Was heißt das?

Kant erklärt in seiner Abhandlung weiter: „Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (…), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht ward, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.“

Kant sagt ganz klar, dass wir Menschen längst frei sind. Die Natur, die Welt erschafft Bedingungen, die es bereits den Menschen erlaubt, sich frei zu bewegen. Heute ist es möglich, ganz egal unter welchen Bedingungen oder mit welchen Schicksalen, dass Menschen von überall auf der Welt sich bewegen können. Ob es eine Flucht sei oder ein freiwilliger Wechsel des Landes – es ist möglich.

Doch, obwohl wir aufstehen können, uns frei bewegen können, unsere aufgeklärte – klare Haltung zu einer Sache klar und offen formulieren können und dürfen, halten sich die meisten Menschen still zurück und lassen andere über ihr Leben und ihr Sein bestimmen.

Der italienische Philosoph Giorgo Agamben stellt in seinem Buch „Homo sacer“ den Ausnahmezustand dar. Er legt dar, dass in einem Ausnahmezustand gewohnte Regeln und Gesetze außer Kraft gesetzt werden. Er legt dar, dass ein Ausnahmezustand ein Akt der Gewalt ist. Der Ausnahmezustand werde jedoch begründet mit dem Schutz der Gemeinschaft und Erhaltung einer Ordnung im Katastrophenfall. Das heißt, es wird eine Ordnung aufgelöst, um Ordnung zu erhalten – eine Paradoxität!

Steht nicht nun die Frage im Raum, wann dieser Ausnahmezustand aufgelöst wird? Steht nicht die Frage im Raum, ob wir derartige Situationen anders lösen können? Steht nicht die Frage im Raum, warum ein Gesetz geschaffen wurde, dass einzige und allein dem Bundeskanzleramt die Möglichkeit gibt, jederzeit das Infektionsschutzgesetz in Kraft oder außer Kraft zu setzen? (Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021)                      

Ist da nicht die Frage nach Demokratie erlaubt?

Das geht soweit, dass eine renommierte Zeitung wie die Zeit auf der Titelseite einen Artikel mit dem Titel „Frei und immun“ von Mark Schieritz veröffentlicht. Hier werden die Menschen vor aller Augen in zwei Teile gespalten. Nicht nur das. Die Menschen, die sich nicht impfen lassen, obwohl sie ja freie Menschen sind, werden verglichen mit einem Fabrikbesitzer, der das Gewässer verunreinigt, so dass andere zu Schaden kommen. Gesundheit wird zur Krankheit gemacht. Völlig außer Acht gelassen wird, dass keine verordnete Impflicht besteht, die beinhalten würde, dass die Regierung für nicht ausreichend getestete Impflösungen die Folgen übernimmt. Es geht hier nicht um Gegenwehr.

Es geht um Perspektivität! Es geht um Vielfalt. Es geht um Durchblick und somit um freies Denken! Über 99 % der Weltbevölkerung sind gesund. Dies ist eine Perspektive, aus der wir schauen können. Warum schaut keiner in diese Richtung? Neu gegründete Parteien wie die „dieBasis“ erinnern an andere Perspektiven.  Mich erinnert „dieBasis“ an den Philosophen Paul Feyerabend und sein Buch  „Erkenntnis für freie Menschen“.

Erkenntnis für freie Menschen von Paul Feyerabend ...

Dort legt er eine bürgernahe Gesellschaft nah, in der „Bürger und Gruppen von Bürgern, die die Kontrolle ausüben, ständige die Errungenschaften und die Auswirkungen der mächtigsten Institutionen untersuchen, beurteilen und, wenn nötig, korrigieren.“ Bürger, die mutig sind, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

Einen Menschen, der sich seines Grundrechtes bedient als einen Verschmutzer der Gesellschaft und als ein „Großproduzent von externen Effekten“ zu betiteln, ist nicht nur menschenverachtend, sondern schlichtweg unmenschlich. Ein Ökonom ist die Grundlage der Aussage des Journalisten. Wie wäre es einmal die Brille des Philosophen, des Psychologen oder Soziologen zu bedienen? Gleichzeitig – eine Frage – viele Antworten- Mündigkeit!

Die Frage einer Impfung ist nicht nur ökonomisch zu sehen und hier sei nur am Rande erwähnt, dass nirgendwo die Nebenwirkungen der Impfungen registriert werden. Weder die Todesfälle, noch die Erkrankungen, die auftreten und zum Teil zu monatelangen Leiden führen, wie z.B. einer Gürtelrose nach Impfung. Erwähnt wird auch nicht, dass die Intensivstationen unseres Landes zu keinem Zeitpunkt überdimensional gefüllt waren. Es wird auch nicht erwähnt, dass die Regierung Impfstoffe zuließ, die in der Regel niemals eine Zulassung erfahren hätten wegen viel zu kurzer Testzeiten. Es wird auch nicht erwähnt, dass es noch ganz andere Mittel gibt, seine Gesundheit zu bewahren und was zu tun möglich ist, wenn das Virus eine Infektion bei uns auslöst. Es wird auch nicht erwähnt, dass selbst schwer kranke Menschen gesundet sind. Es wird auch nicht erwähnt, dass der überwiegende Teil der Erkrankten gar nicht im Krankenhaus war. Die Kosten der Allgemeinheit sind bereits entstanden durch Schließung von Schulen, Kindergärten, Betrieben, Gaststätten, Kultureinrichtungen usw. Der Schaden, der hier angerichtet wurde, wird uns in den nächsten Jahren nachlaufen. Es geht hier nicht um Impfung oder Nicht-Impfung. Es geht hier um Mündigkeit sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.

„Frei und immun“ sind wir stets schon, weil wir leben in einem demokratischen Land, so hoffe ich jedenfalls immer noch. Wenn Kant weiter darlegt, dass „der bei weitem größte Teil der Menschen (…), den Schritt zur Mündigkeit außerdem, dass er beschwerlich ist, auch für gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt aus dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen.“

Zu diesem Abschnitt brauche ich wohl weiter nichts sagen. Er spricht für sich.

Er schreibt, dass „es nur wenige gibt, denen es gelungen ist, durch eigenen Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit herauszuwickeln und dennoch einen sicheren Gang tun.“

Irgendwie erinnert mich diese Stellen an die Zazen-Praxis. In der Meditation Zazen wickeln wir unseren Geist und unseren Körper, unsere Seele vor uns aus. Wir schauen wie auf einer Leinwand zu, was sie uns berichten. Dadurch erlangen wir Erkenntnisse und Erfahrungen, die wiederum dazu führen, dass wir unseren Geist aus seiner Unmündigkeit befreien, weil wir ihn sehen lernen. Durch dieses Sehen lernen, erhalten wir die Chance ihn gestalten zu können. Durch das Gestalten können wir erfahren, dass unser Gang sicherer wird, dass unsere Intuition wächst, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu tun. Ja, die Bearbeitung des Geistes macht frei.

Thich nhat hánh, ein vietnamesischer Mönch, der sich zeitlebens für den Frieden eingesetzt hat. Ich kann seinen letzten Brief empfehlen zu lesen.

In der Zeitausgabe vom 29.Juli 2021 wurde die Idee 59 vorgestellt, eine von den Ideen für die Zukunft. Diese Idee steht ein für einen inneren Kompass. Hellena Horst, die die Ausstellungsräume der Erfurter Firma Topf und Söhne, die einst die Verbrennungsöfen für Auschwitz herstellten, mit den Journalisten durchwandert, weist immer wieder auf den inneren Kompass hin.

Der innere Kompass, der, wie sie sagt, wichtig sei für ein gutes Leben. Nicht nur die Zazen-Meditation hilft diesen inneren Kompass/Intuition/Authentizität neu zu entdecken, zu entwickeln, sondern auch das mutige selbstständige Denken eines Menschen.

Ja, es ist anstrengend. Ja, es ist nicht leicht, aber es ist auch nicht so schwer, dass es nicht gelingt.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen:

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Habe Vertrauen zu deinem inneren Kompass! Höre auf die kleine erste Stimme, die leise zu dir spricht und dich erinnert, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Mit vollem Sinn sich für Menschlichkeit zu entscheiden, bedeutet, ein menschlicher Mensch zu sein.

Mit meiner Freundin ein Kreativ-Wochenende auf den Helfensteinen bei Kassel. Mensch sein in allen Facetten. Spontan. Hier und Jetzt.

Ein menschlicher Mensch kann sich seines eigenen Verstandes bedienen, eine Maschine kann dies nicht. Ein menschlicher Mensch besitzt eine Intuition, eine innere Weisheitsstimme.

„Sapere aude!“ „Wage es, weise zu sein!“

Hans-Peter Dürr nennt dies so und damit beschließe ich diesen Aufruf, auch im Hinblick auf eine Wahl, die in nicht einmal zwei Monaten stattfindet und keinerlei Gehör findet. Eine Bundestagswahl! Unsere Sicherheit der Demokratie?

Geist, Kosmos und Physik von Hans-Peter Dürr - Buch ...

„Die Wenigen, die heute deutlich erkennen, dass wir aufgrund einer relativ kleinen, politisch mächtigen Minderheit uns auf einem ganz gefährlichen Pfad der Selbstvernichtung befinden, diese Wenigen müssen nicht sechseinhalb Milliarden Menschen überzeugen, welchen Weg wir alle dringend einschlagen müssen, um die große Katastrophe zu verhindern, sondern es wird nötig sein, alle Menschen daran zu erinnern, was sie intuitiv eigentlich schon alle wissen: Den Grundprinzipien des Lebendigen folgen, die in den vergangenen dreieinhalb Milliarden Jahren die faszinierende, unbeschreiblich wunderbare Evolution des Lebens auf unserer Erde, uns als Menschen eingeschlossen, ermöglicht hat. […] Dies verdanken wir hauptsächlich unseren Frauen, die im Verlauf der Geschichte des Menschen durch ihre geduldige, mühselige tägliche Arbeit dieses ständige Wachstum des Lebens ermöglicht haben und keine Zeit hatten, ihren entscheidenden Beitrag der Nachwelt schriftlich zu überliefern.“ (Dürr 2010, S. 138–139)

Literaturverzeichnis

Dürr, Hans-Peter (2010): Geist, Kosmos und Physik. Gedanken über die Einheit des Lebens. Deutsche Originalausgabe. Amerang: Crotona.

Montag, den 20. April 2020 „Fremdheit“

Vor ein paar Tagen hatte ich einen Traum. Hinter einer Tür hörte ich Frauen miteinander reden. Eine der Stimmen kannte ich gut. Es war meine Freundin. Irgendwann öffnete sich die Tür. Ich weiß nicht wie, aber sie war plötzlich im Raum. Sie stand dort von einer Helligkeit umgeben. Obwohl ich wusste, das ist meine Freundin, lag da auch so etwas Fremdes. Ich frage mich: Was überwindet Fremdheit?

Fremd? Ungewohnt? Bedeutung?

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