Ein zweiter offener Brief

Dieser Brief ging als Einschreiben am 7. Februar 2022 an Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Fraktionsvorsitzenden der Parteien des Bundestages, Ergänzungen an dieser Stelle sind kursiv. Bilder sind hier Ergänzungen.

Einschreiben 7. 2.2022

In diesem zweiten offenen Brief möchte ich noch einmal eine bürgerliche Stimme in diesem unserem Land der Bundesrepublik Deutschland, meine Stimme, zu Wort kommen lassen.

Das Erste. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass ich stolz bin, in diesem Land geboren zu sein und die Chance hatte gesund und frei aufzuwachsen. Obwohl ich in einer einfachen Arbeiterfamilie der 60-er Jahre groß wurde, hatte ich verantwortliche Lehrer, die meine Begabungen sahen. Sie schickten mich auf die in den 70-er Jahren aus dem Boden hervorgehobenen Aufbau-Schulen im SPD-regierten NRW. Ich bin eine Nutznießerin dieser Bildungschance, ebenso mein erster Mann. So konnte ich nach einer Ausbildung zur Kinderkrankenschwester und fast 12-jährigen Berufstätigkeit ungehindert ein Kolleg besuchen und das Abitur nachmachen. Mit 32 Jahren begann ich das Lehrerstudium für Mathematik, Ökotrophologie und Pädagogik. Mit 38 Jahren stieg ich in diesem Beruf ein und wurde sogar noch Seminarleiterin für Mathematik. Eine theaterpädagogische Ausbildung bereicherte mich. Und nach einem Burn out im Lehrerberuf studierte ich Philosophie, die ich 2018 mit der Promotion abschloss. Dieses bewegte Leben ist nur in einem freiheitlichen Land möglich.

Doktorprüfung März 2018

Dass für eine solche Potenzialität an den philosophischen Fakultäten in Deutschland nicht einmal für ein Wochenendseminar Geld da ist, zeigt, welchen Stand die Geisteswissenschaft im „ehemaligen“ Land der Dichter und Denker hat. MINT Schulen gedeihen. KLIPH existiert dagegen nicht. (KLIPH –Kunst (wozu auch Musik gehört), Literatur, Philosophie).

In KI Professuren wurde in den letzten Jahren investiert, auch im philosophischen Bereich wurde dies gefördert, aber der freie denkende Geist einer weltumspannenden Literatur und Philosophie stirbt immer mehr. Die Phänomenologie, mein philosophisches Gebiet, liegt im Sterben. Die Analyse, Sprachanalyse hat sich formiert. Alles muss beweisbar, überprüfbar, zählbar sein. Doch der Mensch ist nicht in Fakten, Daten messbar.

2018 im Bundestag

-Zwischenbilanz bei der Berufung von 100 zusätzlichen KI-Professuren:

„Für die Förderung der Kompetenzzentren für KI-Forschung stehen im
Haushaltsjahr 2020 Ausgabenansätze in Höhe
von rd. 23,7 Mio. Euro im Titel 3004/683 21 zur Verfügung.“

Wo bleibt der Geist, die Humanität, die menschliche Naturwissenschaft, Religiösität, Spiritualität, ….? Werden diese Wissenschaften auch mit Millionen gefördert?

Der Mensch ist ein unermessliches Wesen, dessen Vielfalt und Potenzialität kein Computer standhalten kann. Ein Mensch braucht für seine Funktionen keinen Strom, keinen Server, keine Wasserkühlung, keine Digitalisierung.

Ein Mensch kann aufstehen, gehen, essen und trinken, schlafen und denken, lieben und lebendig sein in allen Facetten des Lebens. Der Mensch ist grenzenlos. Eine Maschine wird immer abhängig sein von einem Konstrukteur und Software-Entwickler. Egal, wie viele Menschen an einer Super-Maschine Mensch arbeiten werden, es wird begrenzt sein. Und wenn diese Super-Maschine keinen Strom hat, ist ihr Wert gleich Null.

Der Mensch ist immer Wert. Egal wie groß oder klein. Daher ist jeder Mensch wichtig. Daher waren die 70-er Jahre mit den Aufbau-Schulen ein Gewinn für die Gesellschaft. Diese jungen Menschen von damals wurden steuerzahlenden Bürger, die Verantwortung übernahmen und trugen und bis heute tragen.

Die jetzige Situation verwehrt jungen Menschen den Zugang zu einer freiheitlich selbstbestimmten Entwicklung. Dadurch verliert das Land potenzielle Größen, die vielleicht unser aller Probleme (Ernährung, Bildung, Energie, Wasser, Ressourcen) lösen könnten. Die derzeitigen Bedingungen (geimpft, genesen, mit viel Glück getestet) verhindern dies. Arbeitgeber üben Zwang/Druck ist, obwohl es keine Pflicht gibt. Kinder werden wegen Ungeimpftheit vom Sport ausgeschlossen. Dabei gibt es erstens keine Pflicht und zweitens, was ist gegen Gesundheit einzuwenden? Eine Mutter stand vor mir und zeigte auf ihre erwachsene Tochter mit Trisomie 21. Sie sagte wortwörtlich: „Meine Tochter hat nichts mehr. Keine Musik. Kein Sport. Kein Chor. Kein Spieltag…Sie ist einfach nur gesund!“

Sozial gesund!

Die Bundesregierung hat sich erlaubt einem Infektionsschutzgesetz das Recht auf Verordnungen zu geben, die täglich hin und her gehen wie ein Pendel. Unsere Basis unser aller Grundgesetz ist dabei einfach an die Seite gestellt worden.

Dies ist ein Widerspruch. Verordnungen ins Leben zu setzen, die etwas regeln sollen, z.B. Zugang zu öffentlichen Gebäuden, Umgang in Schulen, Krankenhäusern und Co, obwohl es dafür keine rechtliche Verpflichtung gibt, denn die Impfung ist „freiwillig“.  Inwieweit das Handeln der Bundesregierung verfassungswidrig ist, wird derzeit geprüft. Und das ist gut so.

Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass außerdem die Bundesregierung massiv die Menschenrechte nicht nur hier in der Bundesrepublik verletzt, sondern sich auch weltweit an dessen Verletzung beteiligt ist. Hier sei nur Weniges von Vielem genannt, 100 000 mehr verhungernde Kinder durch die aktuelle Situation weltweit. Raubbau von Ressourcen, Müllverklappungen in Afrika und Meeren. Kriege unterstützen durch Rüstungsindustrie. Hier wird interessanterweise nicht danach gefragt, ob diese zu schließen sei und Tausende ihre Arbeit verlieren. Bei der prekären Arbeit von Putzfrauen, Kellnern, Verkäuferinnen von Theatern, Restaurants und Co fragt niemand nach diesen Menschen. Arbeitslosenunterstützung zu bekommen, schafft nicht Lebens-Sinn!

Ich verweise massiv auf Artikel 2 und Artikel 3 der Menschenrechte. Verbot der Diskriminierung und Recht auf Leben und Freiheit. Ich fühle mich seit dem letzten Jahr zum ersten Mal in meinem Leben diskriminiert und als Außenseiterin einer Gesellschaft, die mein Zuhause ist. In allen Zeiten von massiven Seuchen auf dieser Welt gab es gesunde Menschen. Warum und weshalb auch immer.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Broschüre: weißer Hintergrund mit Schattenwurf.
Auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert.

Statt sich die Frage zu stellen, wie konnte es geschehen, dass eine derartige Mutation die Erde besucht, wird nur Symptombehandlung betrieben. Kurzfristig. Lebensverneinend. Angriff auf freiheitliche Grundrechte. Kein wirklicher Lösungsansatz, wie z.B. Max von Pettenkofer es während der Cholera-Epidemie in München tat. Dies könnte für Sie Herr Bundeskanzler ein Vorbild sein. Sie, und damit spreche ich Sie als Mensch und Person an, sowie alle anderen Abgeordneten ebenfalls, denn die meisten hoben den Finger, haben vergessen, was die Menschen ganz unten tun. Sie machen Verordnungen, dass Geschäfte nur noch …, dass Restaurants nur noch…., dass öffentliche Bereiche wie Rathaus, Büchereiern nur noch…einlassen dürfen. Sie schließen und öffnen sie, wie es gerade gefällt, nach angeblichen Daten und Fakten, die unhinterfragt wiederum auf Zahlen und Fakten gründen, die wiederum unterhinterfragt für bare Münze genommen werden, stets mit dem Verlust des Bezugswertes, des Grundwertes, wie es in der Mathematik heißt.

In diesen Restaurants, Kleinkunstbühnen, Geschäften haben Menschen ihre Arbeit, ihr Brot, ihre Aufgabe und ihren Lebensunterhalt bestritten. Es waren oftmals prekäre Arbeitsverhältnisse. Doch jetzt? Wo sind diese jetzt? Arbeitslos? Hartz-IV-Empfänger? Die wohlbekannte Schere von Armut und Reichtum in der Bundesrepublik spreizt sich so noch mehr. Bedenken Sie dies mit allen Folgen und Konsequenzen, die dadurch entstehen können?

Die Last trägt die Allgemeinheit. Während große Unternehmen sich mit Kurzarbeitergeld füttern lassen und sich sanieren. Während große Unternehmensaktionäre sich an Dividenden-Ausschüttungen erfreuen. Während große Unternehmen ihre Mitarbeiter (z.B. Großraumbüros) auspressen. Die Folgen von Burn out und psychosomatischen Erkrankungen werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Von einer Bankenrettung möchte ich hier gar nicht reden.

Ich fordere Sie auf, das Infektionsschutzgesetz in seiner jetzigen Form sofort außer Kraft zu setzen und das Grundgesetz zu achten. Sie haben jederzeit die Möglichkeit, sich vor die Menschen zu stellen und zu sagen: wir haben unser Bestes getan. Es gibt nun auch zugelassene Medikamente für eine Corona-Infektion, ein nur bedingt zugelassener Impfstoff ist nicht mehr die einzige Lösungsalternative. Wir heben sämtliche Restriktionen auf und gehen in ein „soziales Leben“ von Menschen unter Menschen. Sie verlieren keinen Kopf, wenn Sie ehrlich zu sich und den Menschen sind. Jede Verordnung, die Sie und die Bundesregierung ohne Bundesrat herausgeben, entbehrt der Verhältnismäßigkeit der Mittel. (Verfassungswidrigkeit des Infektionsschutzgesetzes, Gewaltenteilung nicht mehr gewährleistet.)

Die erwarteten Todeszahlen sind 2020 nicht eingetreten und auch 2021 nicht. Wir sind ein Volk von ca. 82 Millionen Einwohner. Hätte es 10 Millionen dahingerafft, wäre sicherlich jede Form der Lösung akzeptiert worden. Doch erkrankte Menschen einfach in eine Quarantäne zu schicken und dann ohne ärztlichen Beistand zu lassen, wie es jetzt zuhauf passiert ist, ist sicherlich weder menschlich, noch medizinisch verantwortungsbewusstes Handeln. Sie als Regierung hätten z.B. im Ausruf eines Katastrophenfalls diese neue Situation meistern können. Sie hatten funktionierende Mittel in der Hand. Einst lehrte man mich während meiner Ausbildung als Kinderkrankenschwester, dass unser Land über einen der besten Katastrophenschutzpläne der Welt verfüge.

Auch hätten mobile Ärzteteams, die unterstützt worden wären von den Ärzten und Sanitätern, Fahrern der Bundeswehr (hier könnte das GG geändert werden – dass ein interner medizinscher Einsatz erlaubt wird) die betroffene Kranken anfahren können. So hätten Kranke sich nicht allein gefühlt, hilflos den Symptomen der Krankheit ausgeliefert. Hier zeigte sich auch der Nachteil der vielen Single-Haushalte, denn wer besorgte die Fahrt zum Test-Center, den Einkauf, die unterstützenden Medikamente, Infusionen, die ärztlichen Bescheinigungen für den Arbeitgeber und Co. Diese Menschen haben, so wie mir berichtet wurde, teils mit Fieber lange vor Teststationen im Auto gesessen und darauf gewartet, dass sie drangenommen wurden. Sie standen vor geschlossenen Türen draußen in der Kälte vor den Arztpraxen. Kranken Menschen hören Sie zu!

Ich habe mich oft gefragt, wo ist der Eid des Hippokrates geblieben. Menschen wurden beschimpft, weil sie nicht geimpft waren, statt, dass sie behandelt wurden. Der Eid legt fest, dass jedem Menschen geholfen wird, egal, was er ist und hat. Wir tragen in unserer Gesellschaft Drogenabhängige, Alkoholabhängige, Freizeitunfälle, Kinderwünsche und vieles mehr mit. Wir fragen nicht, warum, wir bezahlen alle mit. Warum gibt es jetzt eine Ausnahme?

Wenn derzeit viele alten Menschen sterben, meine Mutter verstarb letztes Jahr mit 85 Jahren (nicht an Corona), eine Generation, die im letzten Weltkrieg Kinder waren, dann ist dies oftmals eine psychische Entscheidung, denn sie fragen sich, wofür noch weiterleben? Kaum noch Besuch. Masken. Keine Gruppen mehr. Kein Gesang. Keine Freude. Meine Mutter nannte es: Ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben ausgegrenzt.

Hat dieses derzeitige Handeln eine menschliche Grenze übertreten, die so schnell wie möglich rückgängig gemacht werden sollte?

Ich weiß nicht, ob Sie Raul Hilberg kennen. Ein Jude, der in Wien lebte und mit seinen Eltern rechtzeitig nach Amerika fliehen konnte. Seine Familie kam in Dachau und Auschwitz ums Leben. Dieser kleiner Junge wurde groß und studierte Politikwissenschaft. Seine Vergangenheit beschäftigte ihn. Er verfasste eine Arbeit, die übersetzt wurde bei uns mit dem Titel: Die Vernichtung der europäischen Juden.

Dieser Mann hat sich keine moralische Frage gestellt, sondern die Frage: Wie war es möglich, eine derartige Maschinerie ans Laufen zu bringen? Dabei stellte er ein System auf, dass genau das beschreibt, was jetzt gerade wieder stattgefunden hat, mit meiner Hoffnung auf Einsicht bei denkenden Politikern.

„Gesetz – Durchführungsverordnungen – Ministerielle oder örtliche Verordnungen und Regelungen – Öffentliche Bekanntmachungen im Gefolge von Gesetzen und Erlassen – Bekanntmachungen durch lokale Beamte – schriftliche nicht veröffentlichte Richtlinien – mündliche Direktiven und Vollmachten!“

Ein bürokratischer Apparat. Alles ganz legal. Mit welchen Folgen?

Es geht nicht um die Oberfläche. Die kann heißen Faschismus, Fundamentalismus, Fanatismus, röm.kath.-evang. Irland, Pakistan/Indien, Israel/Palästina, auch Covid-Infektion….

Die Ordnung, die unterschwellig undemokratische Gefahren birgt, ist das Risiko. Hier den Blick offen zu halten und sich nicht vom Grundgesetz als Basis einer Bevölkerung, sich nicht von den Menschenrechten zu entfernen, ist die Aufgabe einer vollwertigen dem sozialen Wesen Mensch verpflichtende Aufgabe, der Sie und alle an der Regierung Beteiligten verpflichtet sind. Sie sind nicht nur Teil dieser Bevölkerung. Sie sind Menschen!

Damit Sie den Bezug zur arbeitenden wirklichen Bevölkerung nicht verlieren, sollten Sie vielleicht heimlich durch die Straßen der Stadt ziehen, wie ein Bischof Nikolaus und ein Papst Johannes I, um den Stimmen zuzuhören.

Ich, persönlich, würde z.B. gerne diesen Brief öffentlich im Bundestag verlesen. Vielleicht noch mit einigen Ergänzungen mündlich gewürzt. Vielleicht sollten Sie eine öffentliche Sprechstunde im Bundestag einführen – eine Art Rederecht im Bundestag für Bürger des Landes?

Alternativen gibt es immer. Potenziale sind unbegrenzt im menschlichen Sein vorhanden. Bildung und Forschung zu stützen. Stattdessen wird die dreifache Menge der Steuergelder nicht für Bildungsausgaben, sondern für Verteidigung ausgegeben. Ist dies nicht eine Missachtung der menschlichen Größe? Ein selbstfahrendes Auto wird nicht entwickelt für eine Bevölkerung. Ein Elektro-Auto ist keine Antwort. Digitalisierung ist kein Lebensziel. Das wissen Sie.

Das höchste Potenzial, was uns allen Menschen weltweit zur Verfügung steht, ist unser Menschlich-Sein selbst. Hier finden sich Lösungen, Alternativen, Potenziale. Und ich möchte mit Hans-Peter-Dürr enden:

„Die Wenigen, die heute deutlich erkennen, dass wir aufgrund einer relativ kleinen, politisch mächtigen Minderheit uns auf einem ganz gefährlichen Pfad der Selbstvernichtung befinden, diese Wenigen müssen nicht sechseinhalb Milliarden Menschen überzeugen, welchen Weg wir alle dringend einschlagen müssen, um die große Katastrophe zu verhindern, sondern es wird nötig sein, alle Menschen daran zu erinnern, was sie intuitiv eigentlich schon alle wissen: Den Grundprinzipien des Lebendigen folgen, die in den vergangenen dreieinhalb Milliarden Jahren die faszinierende, unbeschreiblich wunderbare Evolution des Lebens auf unserer Erde, uns als Menschen eingeschlossen, ermöglicht hat. […] Dies verdanken wir hauptsächlich unseren Frauen, die im Verlauf der Geschichte des Menschen durch ihre geduldige, mühselige tägliche Arbeit dieses ständige Wachstum des Lebens ermöglicht haben und keine Zeit hatten, ihren entscheidenden Beitrag der Nachwelt schriftlich zu überliefern.“ (Dürr, Hans-Peter, 2010, Geist, Kosmos und Physik. Gedanken über die Einheit des Lebens.)

Ich bin eine Frau.

Im Rahmen des Grundgesetzes fordere ich Sie und die Bundesregierung auf, eine individuelle Impfentscheidung zu tragen. Für eine Impfpflicht ist die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. Das wissen Sie. Sogar nicht nur intuitiv!

Mit freundlichen Grüßen

Macht Kooperation Vertrauen?

Vor vielen Jahren begegnete mir bereits der Name Hans Peter Dürr. Viele Male dachte ich, du musst ihn lesen, Ellen. Jetzt war es soweit. Ich las sein Buch „Geist, Kosmos und Physik“, Gedanken über die Einheit des Lebens.

Hans-Peter Dürr: Geist, Kosmos und Physik: Gedanken über ...
Einfach lesen! Einfach Dabei-Sein. Einfach mitleben.

Es ist nicht nur zu empfehlen, sondern meiner Meinung nach, sollte es jeder gelesen haben, denn es ist ein überaus berührendes Buch der Menschlichkeit.

Gleich auf den ersten Seiten begegnet mir der Satz: „Macht bezieht ihre Stärke aus der Einfalt – durch Bündelung von Kräften und nicht deren Differenzierung.“

Es kribbelt in mir. Der Satz weht wie ein Sturm durch mich hindurch. Wir leben seit eineinhalb Jahren in einer Zeit, die ihre Stärke aus unserer aller Einfalt zieht. Wir sind zu Menschen geworden, die wie Herdentiere dressiert durch die Welt gehen, von Zahlen geleitet und geprägt, ohne Sinn(e) und Verstand. Wir haben uns zu einer einfältigen Masse degradieren lassen, aufgrund von Zahlen, die Fiktionen sind. Realistische Zahlen sind nicht vorhanden. Es gibt keine Statistik, die belegen kann, wie viele Menschen tatsächlich nur an diesem Virus verstorben sind. Es gibt keine Statistik, die belegen kann, wie viele Menschen tatsächlich ihr Leben verloren haben, weil wir ihnen das Essen und Trinken genommen haben durch ein einfältiges eigennütziges Verhalten als gäbe es niemanden anderen auf der Welt. (siehe auch den Beitrag „Biene Maja“ hier)

Wir produzieren Masken und Co, die dann als Müllberge in der Verbrennungsanlage laden, wenn wir Glück haben. Sie können aber auch mit dem Regen in die Abwasserkanäle gespült werden und gelangen dann als Partikel in den großen Kreislauf des Wassers. Fragten wir jetzt in Kläranlagen nach, wie viele Reste von Masken sie entdecken, wäre die Antwort sicher erschreckend. Seien wir mal ehrlich, eigentlich dürfte nicht eine einzige Maske dort landen, oder?

Masken, überall! Ist das menschlich? Noch mehr Unsichtbarkeit?

Dürr schreibt, dass die Macht ihre Stärke aus der Einfalt bezieht, aus der Bündelung dieser Kräfte, die Differenzierung meidet. Was passiert seit über eineinhalb Jahren? Wir haben unsere Differenzierung verloren. Vereinheitlichung in Distanzlernen und Online-Veranstaltungen, die ja irgendwie immer gleich ablaufen, finden statt.

Kultur, die Differenzierung schafft, ist zum Schweigen verurteilt. Gruppen-und Seminar-Tätigkeiten sind in Distanz-lernenden Veranstaltungen untergegangen. Online-Präsentationen und Veranstaltungen gaukeln uns vor, dass Wissenschaft, Kunst und Kultur noch immer lebendig ist. Aber ist sie das wirklich? Wo sind die menschlichen Aus-ein-ander-setzungen, die der Menschheit in all den Jahren das Wachsen und Reifens, das Lernen, Verstehen, Begreifen, Entdecken, Forschen, Erfinden und Lebendig-Sein ermöglicht hat? Ist nicht gerade die Differenzierung des Lebens die Kraft, die uns ermöglicht zu reifen? Die unbegrenzte Potenzialität eines einzigen Menschens?

so viele Menschen ! Foto & Bild | kunstfotografie & kultur ...
Über sieben Milliarden Menschen mit ihren Gefühlen, ihrem Denken, ihren Sinnen, ihrem Körper und Geist – pure Vielfalt!

Kann ein Kind wachsen ohne den anderen Menschen, der tatsächlich anders ist als es selbst? Kann ein Getreidekorn wachsen und uns Nahrung bringen ohne das Andere und den Anderen, was tatsächlich anders ist als es selbst? Kann ein Mensch wachsen ohne den anderen Menschen und ohne das andere wesenhafte Sein? Ist nicht gerade die Vielfalt des lebendigen Lebens das, was unser Menschsein so offen, so bunt, so stark zeichnet?

Eine Macht, die die Kräfte aufgrund von Einfalt bindet, vernichtet sich über kurz oder lang selbst. Die Geschichte zeigt mehr als genug Beispiele. „Leben ist auf Kooperation aufgebaut“, schreibt Dürr. Wenn es uns nicht gelingt im Nächsten, den wirklich Nächsten zu sehen, der, der mit mir Mensch ist, der, der das gleicht mit mir teilt, Lebendigkeit und Sterben, Freude und Schmerz, wenn wir nur noch darin gefangen sind, dass der Nächste eine potenzielle Gefahr ist, dann lassen wir uns die Fähigkeit des menschlichen Mensch-Seins nehmen, lassen uns reduzieren auf eine begrenzte Einfalt von O-1-Folgen, die so wunderbar sie sind, immer begrenzt sein werden im Raum der unendlich großen Menschlichkeit. Das menschliche Wesen ist Vielfalt, ist Differenzierung, ist Kooperation, ist Nachhaltigkeit von Beginn an.

Lassen wir uns in die Einfalt pressen, nehmen wir den Verlust der menschlichen Kooperation als Fähigkeit zu reifen hin, lassen wir uns unsere „emotionale und geistige Potenzialität“ (Dürr, 55) nehmen und verhindern so nachhaltiges Werden und Sein, dann verletzen wir das Paradigma des Lebendigen, wie Dürr schreibt. „Wir sind dann nicht mehr Zweige des Lebendigen, sondern des Toten, weil wir das Prinzip der Kooperation missachtet haben.“(Dürr, 130) Wir tun dann genau das, was wir nicht wollen: Sterben!

In den vielen Jahren seit dem zweiten Weltkrieg, in den vielen Jahren des Wirtschaftswachstums, haben wir die Kooperation mit anderen Völkern der Erde vernachlässigt, wir haben ihre Bodenschätze ausgebeutet und tun dies für ein Computerzeitalter mehr denn ja. In den vielen Jahren des Entstehens einer Wohlstandsgesellschaft haben wir schon viele Kooperationen verloren. Die Kooperation mit dem Leben der Regenwälder, mit Tierwelten, die ausgestorben sind, mit dem Weltall, denn ist zu nutzen als Satelliten-Welt gibt und dabei vergessen wir, was es wirklich ist. Wir verloren die Kooperation zu den indigenen Völkern (z.B. Kogis, Eskimos, Indianer, Aborigines, usw.).

Überleben in freier Natur: Die genialen Fähigkeiten ...
Kooperation! Kooperation? Kooperation klar und selbst verstanden!

Völker, die uns lehren können, was Kooperation leben bedeutet. Wir sind jetzt jedoch so weit gegangen, dass wir Grenzen von Mensch zu Mensch aufbauten. Familien besuchen sich nicht mehr. Freunde verlieren sich. Gemeinschaften wir Sport-, Musik- und andere Vereine können ihre Gemeinsamkeit, ihr lebendiges Prinzip der Kooperation nicht lebendig halten.  

Was tun wir hier? Ich frage mich, warum die Menschen dies alles so bereitwillig hinnehmen? Was hindert sie daran für die menschliche Menschheit aufzustehen? Was bewirkt die Angst vor dem Tod? Was fürchten die Menschen wirklich? Haben wir uns so weit von uns selbst entfernt, dass wir nicht mehr wissen, dass Leben und Tod die zwei Medaillen des Lebendigen sind?

Ohne Tod kein Leben. Ohne Leben keinen Tod. Interessanterweise hat Jesus Christus dies besonders schön gesagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein.“ (Joh, 12,16-12-47)

Was bewegt Menschen sich von Menschen zu trennen, trennen zu lassen, obwohl doch wir Menschen nur menschlich sind, wenn wir gemeinsam etwas tun, wenn wir gemeinsam handeln, wenn wir gemeinsam leben und Leben und Sterben zulassen, ohne meinen wir wären die Herrgötter, die über Leben und Tod entscheiden könnten? Ist das nicht sogar ein Gebot? Was tun wir jedoch? Wir entfernen uns von der Kooperation. Wir entfernen uns von Menschlichkeit? Wir entfernen uns von der Vielfalt und unserer vielfältigen differenzierten Potenzialität. Was tun wir hier?

Sollten wir uns nicht wieder unserem kooperativen menschlichen Sein zuwenden? Dürr schreibt von seinem Optimismus für die Menschheit. Er benennt sie folgendermaßen: „Die Wenigen, die heute deutlich erkennen, dass wir aufgrund einer relativ kleinen, politisch mächtigen Minderheit uns auf einem gefährlichen Pfad der Selbstvernichtung befinden, diese Wenigen müssen nicht sechseinhalb Milliarden Menschen überzeugen, welchen Weg wir alle dringend einschlagen müssen, um die große Katastrophe zu verhindern, sondern es wird nötig sein, alle Menschen daran zu erinnern, was sie intuitiv eigentlich schon alle wissen: Den Grundprinzipien des Lebendigen zu folgen, die in den vergangenen dreieinhalb Milliarden Jahren die faszinierende, unbeschreiblich wunderbare Evolution des Lebens auf unserer Erde, uns als Menschen eingeschlossen, ermöglicht hat.“

Erinnern wir uns an unser Mensch-Sein. Seien wir wieder menschlich. Wir gehören zusammen. Familien, Freunde, Kollegen, Völker. Wir sind gemeinsam Mensch. Lasst uns bitte aufhören, Trennung vorzunehmen, die einfach unmenschlich ist.

„Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach, als ein Wald, der wächst.“, so formuliert Dürr eine tibetische Weisheit. Lernen wir wieder dem Wachsen des Waldes zuzuhören, statt dem Krachen des Baumes zuzuschauen! Üben wir wieder, „was eine Millionen mal längere Geschichte uns an Differenzierung und kooperative Integration erfolgreich gelehrt hat“! (Dürr, 140)

Nehmen wir unser Mensch-Sein wieder selber in die Hand, mit allen Wenns-und aber. Bitte lasst uns wieder „Mensch- sein“, weil „Mensch-sein“ ist ein Geschenk, eine Gnade, eine Freude, eine Schönheit. Es ist die Potenzialität eines lebendigen Lebens.

Ich freue mich darauf, mit Euch mein Mensch-Sein lebendig sein zu lassen, ob im Zenhof Rödental e.V., bei den Elan-Frauen in Coburg oder hier mit diesen Zeilen, die so hoffe ich, die Herzen wieder für die Menschlichkeit öffnen, denn es lohnt sich, sagt Dürr.

„Wir brauchen den Mut, das, was wir als Menschen verkorkst haben, auch als Menschen wieder in Ordnung bringen zu können.“

In der Meditation tun wir dies immer wieder neu. Wir bringen den Mut auf, uns niederzusetzen, zu schweigen, bewegungslos dem Wachsen des eigenen Waldes zuzuschauen. Wir bringen unser Chaos in eine Ordnung, deren Verkorkstheit sich auflösen darf und kann.

In diesem Sinne, steht auf als Menschen, geht als Menschen, liebt als Menschen, begreift als Menschen, fühlt euch als Menschen und entdeckt die wunderbare Welt der Vielfalt, die jeder Macht zuwiderläuft, weil sie diese nicht bündeln kann. Steht auf und lebt die bunte Vielfalt einer bunten Blumenwiese, die Insekten anzieht, Leben spendet und mit dem Vergehen neues Leben ermöglicht.

Ein Hoch auf die menschliche Menschlichkeit!

November 2020

Heute ist der 2. November 2020. Dieses Jahr steht und stand bisher unter einem besonderen Zeichen. Ein Lebewesen, das von uns laut Definition so nicht bezeichnet wird, zeichnet uns. Was ist ein Lebewesen?

Es zeigt uns offen und hautnah, die Verbundenheit aller Wesen miteinander. Total global. Es legt den Finger in die Wunden der Menschheit. Tierhaltung. Tierschlachtung. Ausbeutung von Menschen. Soziales Sterben. Zerstörung ethischer Prinzipien im Angesicht von Alter und Tod. Genau hier weist das Wesen auf Unmenschlichkeit, auf Ausbeutung, auf Machtgier hin.

Es werden Gesetze zum Schutze der Menschen geändert. Es werden Regelungen eingeführt, die dem Schutz der Menschen dienen.

Anklicken und man ist dort!

Genau vor 85 Jahren, 1935, war auch ein besonderes Jahr unter einem besonderen Zeichen. In Deutschland beginnt das NS-Regime seine Macht. Es höhlt den Friedensvertrag von Versailles aus, der genau vor 100 Jahren im November 1920 nach dem ersten Weltkrieg unterzeichnet wurde.

Es wurden Gesetze eingeführt, die eine Minderheit, „zum Schutze des deutschen Volkes“ verfolgen. Diese Minderheit wurde im Folgenden um weitere „Minderheiten“ ergänzt.

Auch diese Zeit ist wie eine Art Lebewesen. Sie legte die Finger in die Wunden der Menschheit. Unmenschlichkeit wurde sichtbar. Machtgier erlaubte sich Übergriffigkeiten.  „Zum Schutze des deutschen Volkes“.

Dies sind Ereignisse, die die Welt prägten. Prägungen, die bis heute unvergessbar sind. Prägungen, die sich über Generationen in den Menschen verankert haben. Ereignisse, die Einzelschicksale zu Massenschicksalen werden ließen.

Wo stehen wir nun? Was tun wir? Was ist richtig? Was ist falsch? Was bedeutet dies für die kommenden Generationen? Was für die Menschheit?

Wie Ihr alle wisst, bin ich Philosophin. Philosophen stellen Fragen. Dies ist ihr Hauptfachgebiet. Sie sehen Fragen, wo andere gar keine sehen, weil doch alles klar ist. Philosophen sind jedoch irgendwie anders. Sie sehen auch noch Fragen, wenn scheinbar alles klar ist.

Ich stelle mir gerade als Philosophin eine solche Frage.

„Was wäre, wenn das Ziel der Menschen, „menschliche Menschlichkeit“ in allen Entscheidungen wäre?“

Auf den ersten Schritt scheint diese Frage leicht beantwortet zu sein. Aber das ist sie ganz und gar nicht.

Erstens: Was ist überhaupt „menschliche Menschlichkeit“?

Zweitens: Was ist ein Ziel?

Drittens: Was ist eine Entscheidung?

Viertens: Warum steht diese Frage im sprachlichen Konjunktiv, einer Möglichkeitsform?

Vor einigen Jahren schrieb ich meine Masterarbeit, die den Titel hat „Was ist „menschlich sein“ unter den Bedingungen der radikalen Lebensphänomenologie von Michel Henry. Herausgearbeitet habe ich eine „menschliche Menschlichkeit“, die sich durch etwas Besonderes auszeichnet, nämlich die Fähigkeit zur „pathischen Ratio“.

Was heißt "menschlich sein"? - Ellen Wilmes

Diese „pathische Ratio“ definierte ich als das „In-sich-selbst-verstehende-Erkennen“. [1]

Setzen wir nun voraus, so wie ich es in meiner Arbeit tat, dass diese Fähigkeit dem Menschen innewohnt, so könnten wir nun sagen, dass diese Fähigkeit zu einer anderen Art von Entscheidungen führen würde. Warum?

Wenn jeder Mensch auf dieser Welt diese Fähigkeit erlernt und ausgebaut hätte, sich selbst zu verstehen und zu erkennen, dann hätte er seinen Logos, verstanden als ein Sammeln von eigensten Erfahrungen und Erkenntnissen[2], eingesetzt für ein „Reif-werden“ der eigenen Spezies Mensch und seinem individuellen Mensch-Sein.

Eine noch so intelligente Maschine gelingt dieser Prozess des „In-sich-selbst-verstehenden-Erkennen“ nicht, weil sie so programmiert sein müsste, dass sie die Gesamtheit aller Wesen in dieser Fähigkeit kennen müsste. Dies würde ihm immer noch nichts nützen, weil diese Maschine nicht wüsste, was sein individuelles „In-sich-selbst-verstehendes Erkennen“ ist. Denn das Besondere der pathischen Ratio ist seine uneingeschränkte Individualität. Jeder Mensch auf dieser Welt wächst in seiner eigenen Zeit, seiner eigenen Art mit dieser pathischen Ratio zu dem, was er als Mensch ist. MENSCHLICH.

Verbunden mit allen Wesen.

Was ist ein Ziel? Für jeden einzelnen Menschen wäre dies ja bereits gesetzt durch das Erforschen des eigenen „In-sich-selbst-verstehenden-Erkennen“. Doch, welches Ziel kennt dann diese menschliche Menschheit für alle?

Das Wort Ziel[3] ist in seiner Wortherkunft ein deutsches Wort. Das heißt, das Volk der Germanen erschuf es. Es steht für eine Absicht. In seiner Wortherkunft ist seine Bedeutung jedoch weiteraus größer. Ein Ziel zu kennen, bedeutet, sich anzustrengen, sich zu bemühen. Es steht für, sorgen für, anbauen und bestellen, für sich auf etwas beziehen. Bleiben wir bei diesen Wortherkunftsbedeutungen des Wortes Ziel, so ergibt sich als logische Folge, dass wir als menschliche Menschheit uns zum Ziele setzen, dass wir uns aufeinander beziehen, dass wir etwas anbauen und bestellen.

Übertragen wir dies auf alle Lebewesen, so bedeutet, dies, dass mit der pathischen Ratio eine Erweiterung stattfindet, die wirklich alles aufeinander bezieht.

Es gibt keine Isolation.

Alles bezieht sich aufeinander. Ein menschlicher Mensch im Sinne eines „In-sich-selbst-verstehenden-Erkennen“ kennt die Grenze eines Ichbezogenen Menschen nicht mehr. Dieser Mensch baut an und mit sich selbst und der gegenseitigen Aufeinander Bezogenheit. Dabei bemüht er sich. Er strengt sich an.

Dieser Mensch bestellt eine Erde, die die gegenseitige vollständige Abhängigkeit kennt, weil er in seinem „sich-selbst-verstehenden Erkennen“ begriffen hat, dass sein Körper und Geist sich aufbauen und gegenseitig bestellen.

Eine Leberzelle greift mit der Darmzelle. Eine Speichelzelle mit einer Magenzelle. Ein Gedanke mit Sodbrennen. Eine Angst mit Schmerzen.

Übrigens wäre dies eine neue Frage: Ist das Wesen Schmerz derzeit vermehrt in Behandlung bei Ärzten?

Doch kehren wir zurück. Aus dem Verstehen dieser wechselseitigen und auf Dauer verbundenen Welt erkennt der menschliche Mensch, dass seine Entscheidungen nur dann zum Ziele aller (z.B. aller seiner Zellen) werden kann, wenn dieses Ziel etwas aufbaut und nicht zerstört, weil dies würde zu einer Selbstbeschränkung führen, die wiederum die menschliche Menschlichkeit vernichten würde.

Diese menschlichen Menschen entscheiden also nicht in Form von „Du sollst“ Regeln im Sinne der Kant’schen Logik, sondern diese menschlichen Menschen entscheiden in der Form der pathischen Ratio. Dies würde bedeuten, dass es kein Abwägen in Form eines Für und Wider geben würde, weil das Abwägen in jedem Menschen selbst stattfände. Ja, es hätte vielleicht zur Folge, dass die menschliche Menschheit mit Folgen konfrontiert würde, die sie nicht kennt, aber ist das nicht immer so? Die pathische Ratio studiert sich jedoch immer wieder neu. Was ist das, was mir nun begegnet in meinem „In-mir-selbst-verstehenden-Erkennen“? Was bin ich selbst unter diesen Bedingungen und Umständen?

Ein Abwägen in Form von „Du sollst“ Regeln führt zu Verletzungen der Menschlichkeit, weil deren „Selbst-Verstehen“ unterbrochen wird. Es werden Regeln gesetzt, die Fragen und Hinterfragen für unnötig erklären, sogar für „unlogisch“, weil die Regel die Antwort ist.

„Dieser Lockdown funktioniert nur, wenn die Deutschen das logische Denken sein lassen.“

Eine derartige Entwicklung führt nicht zu einer Entwicklung des Logos des Mensch-Seins, sondern zu deren Vernichtung. Ein menschlicher Mensch schöpft sein Potenzial in vollem Umfang aus, wenn er das „In-sich-selbst-verstehende-Erkennen“ tut. In diesem Moment bedarf eine Gesellschaft keiner Regeln mehr, weil sie bereits die eine Regel des menschlichen Mensch-Seins ist. Das „In-sich-selbst-verstehende-Erkennen“.

Ja, das bedeutet auch die menschliche Seins-Form zu verändern. Manchmal bis zur totalen Veränderung des menschlichen Menschen, die wir Tod nennen. Jedoch kein Wesen dieser Welt stirbt nicht.

Es ist das Besondere des menschlichen Menschen, dass gerade seine pathische Ratio ihn befähigt, dies im wahrsten Sinne des Wortes logisch als ein „In-sich-selbst-verstehendes-Erkennen“ als ein Sammeln zu erkennen.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine sich ausbreitende pathische Ratio, die die Lebewesen der Welt nicht vernichten, sondern achten und mit allem leben, so wie es ist, frei von Gier, Hass und Verblendung in der Hoffnung, dass es nicht im Konjunktiv als Möglichkeit besteht, sondern im Indikativ als Wirklichkeit.

Danke an alle Wesen!

Literaturverzeichnis

Tischner Heinrich (2016): Ethymologie deutsch. légein. Online verfügbar unter http://www.heinrich-tischner.de/22-sp/2wo/wort/alt/l/lej.htm, zuletzt aktualisiert am 29.11.2016, 17.30 Uhr.

Wilmes, Ellen (2017): Was heißt „menschlich sein“? Antworten im Anschluss an die Lebensphänomenologie von Michel Henry. Nordhausen: Verlag Traugott Bautz (libri virides, 20).


[1] „Im 25. Jhd. ist der lebendige Transzendentalismus selbstverständlich, indem das „In-sich-selbst-verstehende-Erkennen“ als pathische Ratio aus der Logik eines Lebens als Logos des Lebens verbunden mit dem Lebenswissen gegeben ist.“ Wilmes 2017, S. 118

[2] Tischner Heinrich 2016.

[3] https://www.dwds.de/wb/Ziel, Zugriff am 02.11.2020, 12 Uhr.