Der Verlust der analogen Welt – 1G, 2G, 3G, 4G, 5G!

5g Internet Vernetzung In Der Stadt Stadtbild Und ...

Irgendwie scheine ich in einer auf den Kopf gestellten Welt gelandet zu sein. In einem Café werde ich nach 3G gefragt. In der Landesbibliothek kann ich ein Buch nur dann abholen, wenn ich 3G habe, auch wenn es nur zwei Minuten dauert. Bei der Volkshochschule wird ein 3G gefordert, wenn ich einen Kurs besuchen möchte. Die Welt fordert bereits ein 5G oder sogar 1G. Was bedeutet dies? Was machen wir hier?

Züge fahren in viele Richtungen. Die Insassen wechseln.

Als vor 80 Jahren eine Vernichtungsmaschinerie ihr Werk begann, konnte der einfache Mensch auf der Straße dies alles nicht so nachverfolgen, was da geschah. Irgendwann jedoch sah sich jeder einzelne Mensch einer Frage ausgesetzt: Was machst DU jetzt?

Plötzlich sollte die Mutter dem Kind verbieten, dass es in der Schule neben dem anderen Kind sitzt, das das Makel hatte. Plötzlich sollte ein Vater einer Organisation beitreten, sonst verlor er seine Arbeit. Plötzlich sollte eine Großmutter zeigen, wer ihre Großmutter und ihr Großvater war. Plötzlich war die Welt auf den Kopf gestellt und ein jeder Mensch war mittendrin und es wurden Entscheidungen von ihm verlangt. Manches Mal war die Entscheidung nicht offensichtlich, denn es gab ja eine Verordnung, die sagte, was der einzelne Mensch zu tun hatte. Auf die Verordnung konnte sich der Einzelne zurückziehen. Die Verordnung versetzte den Einzelnen in die Lage, sich auf der richtigen und gerechten Seite zu befinden. Nicht selber denken, keine Verantwortung übernehmen, die Verordnung kennt die Antwort. Die Welt stand Kopf und keiner sah es.

Was wäre, wenn wir heute nach so vielen Jahren und drei Generationen, das Wort „jüdisch/nicht jüdisch“ ersetzen durch „digital/nicht digital“? Wenn wir es ersetzen durch „geimpft/nicht geimpft“, durch „liberaler Muslim/Fundamentalist“, durch Israeli/Palästinenser“, durch „Türke/Kurde“, durch „Bürger/Rebell“, durch „evangelisch/katholisch“, durch „Ire/Engländer“, durch „Deutsche/Ausländer“ …?

Diese Liste ist unendlich lang. Doch, die Frage ist: Welche Strukturen ermöglichen derartige bis zu Kriegen führende Situationen in einer Gesellschaft? Wie ist es möglich, dass Menschen sich in derartige Lebenssituationen bringen? Wie kann es zu derartigen Verhaltensmustern kommen?

Wie kann es sein, dass in einem demokratischen Land einem Bürger das Recht auf Bildung durch den Ausschluss aus der Bibliothek verweigert wird, weil er kein 3G hat? Wo ist der Gleichbehandlungsgrundsatz unseres Grundgesetzes geblieben? Wie ist es möglich, dass sich Menschen einer Gesellschaft, einer Familie, eines Landes, einer Welt vorgeben lassen, wie viele G´s sie brauchen, um an Bildung teilzunehmen, während das Kaufen nicht den G´s unterliegt?

Umsetzung des Berliner Bildungsprogramms und der Kinderrechte

Wie kann es sein, dass sich eine gebildete demokratische Gesellschaft, und ich denke, dass behaupten wir von uns, plötzlich Zwänge ausübt? Wenn DU nicht wenigstens ein G hast, kommst DU hier nicht rein!

Der Ausspruch von Nena, als sie jetzt ihre Konzerttour für 2022 absagte: „Alle Menschen sind mir willkommen“, ist gelebte gebildete Demokratie.

Artikel 3 des Grundgesetzes: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Wenn ein Gesetz beschlossen wird, dass diese Grundlage aufhebt, entsteht ein Dilemma, „einen Fangschluß der Logik, der einen Gegner so zwischen zwei gleich unangenehme Behauptungen stellt, daß er sich für eine entscheiden muß“.

Welche Logik können wir nun anwenden, um den Schaden so gering wie möglich zu halten? Die Antworten der letzten eineinhalb Jahre ist es offensichtlich nicht. Die Relationen wurden deutlich fehlerhaft gesetzt mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen, die noch unübersehbar sind.

Raul Hilberg beantwortet einiger dieser Fragen in seinem Buch „Die Vernichtung der Europäischen Juden“ von 1961, das erst 1982 ins Deutsche übertragen wurde.

Er stellt sich genau diese Fragen. Er sucht menschliche Strukturen, die in das Verhalten von Menschen einfließen, die Menschen voneinander trennen, weil der eine dies ist und der andere das.

Eine seiner Antworten greife ich heraus. Es ist die Tätigkeit eines bürokratischen Apparates. Das Tun von administrativen Maßnahmen. Er schreibt, dass alles mit einem Gesetz beginnt, dem Durchführungsverordnungen folgen, die öffentliche Bekanntmachungen zur Folge haben.

Technische Regeln
Auf allen Ebenen inzwischen anzutreffen. Digita macht es möglich.

Dies ist eine Struktur, die in den Ländern besonders Fuß fassen kann, in der eine Verwaltungsebene schon lange Bestand hat. In Deutschland gibt es durch das Preußentum eine derartige gute Verwaltung. D.h. wir können ein Gesetz verabschieden im Bundesrat, das dann in geordneter Struktur seinen Weg bis zum einzelnen Menschen im Land findet. Dabei gibt es schriftliche Richtlinien, die allen zur Verfügung stehen, aber es gibt auch schriftliche Verordnungen, die nicht jeder zu sehen bekommt. Die Verordnung eines Krankenhauses oder einer Schule und deren Instruktion von der Gesundheitsbehörde oder Schulaufsichtsbehörde bekommt der Patient und die Elternschaft in der Regel nicht direkt zu sehen. Zu sehen, bekommt der einzelne Mensch, die Verordnungsvorschrift, die ihm sagt, was er nun zu tun habe.

Auf den ersten Blick scheint dies ein gelungenes Mittel zu sein, Menschen im Frieden zu halten und in diesem jetzigen Fall Gesundheit zu bewahren. In Ländern, wo die administrative Bürokratie nicht so funktioniert, treten viel schneller Störungen im gesellschaftlichen Leben auf. Doch, welche unsichtbare Gefahren lauern hier?

Eine Verwaltung, die die Menschen kontrolliert, bedarf erstens eines wachsenden Verwaltungsapparates

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Berlin Neubau und Erweiterung der Verwaltung

und zweitens bedarf es Mittel, die Kontrolle durchführen zu können. Wenn wir jetzt auf das Geschehen der letzten Monate zurückgreifen, so können wir genau verfolgen, was geschah.

Ein Gesetz- das Infektionsschutzgesetz-wurde verändert als neues Infektionsschutzgesetz in die Gesellschaft gesetzt. Im Rahmen dieses Gesetzes entstanden die entsprechenden Verordnungen, die jeder aktuell nachlesen konnte, ob nun in der Tagespresse oder im Internet. Die Verordnungen wurden von einer Macht, der Polizei, kontrolliert. Die Gesetzgebung verhängte Strafen, die umgesetzt wurden. Als Mittel zur Überprüfung

Corona-Test für zu Hause | Healthcare Mittelhessen
Der Müllberg, der hier produziert wird, ist unübertroffen. Wer macht hier Gewinne?

wurden Testverfahren, Impfstoffe und Zahlen wie Inzidenzwerte geschaffen, die es erlauben, die Struktur aufrecht zu erhalten. D.h. eines griff in das andere.

Die Struktur hatte wieder einmal zugepackt und wieder erkennt die Menschheit nicht, was sie tut.

Als Jugendliche habe ich mich immer wieder gefragt, wie war es möglich, dass eine derartige Vernichtung stattfinden konnte. Dieser Vernichtung fielen ja nicht nur „Juden“ zum Opfer, sondern auch politische, religiöse und ethische Gruppen, die sich teils im Widerstand formierten. Die berühmteste Gruppe war die Studentengruppe um die Geschwister Scholl „die weiße Rose“.

Geschwister Scholl. Sie starben mit 22 und 25 Jahren. Sie wurden enthauptet.

Nach Hitlers Machtübernahme 1933 gelang es den Nationalsozialisten mit brutalen Methoden sehr bald, die politischen Gegner in Deutschland „auszuschalten“. Andersdenkende wurden auf verschiedene Weise mundtot gemacht. … Es zeigt, dass einige tausend Menschen nicht nur anständig geblieben waren, sondern auch mutig dem Regime aktiv die Stirn boten. Freilich bildeten sie eine verschwindende Minderheit in der deutschen Bevölkerung. Sofern nicht ohnehin Parteinahme oder mindestens Sympathie für den Nationalsozialismus vorherrschten, bestimmten politische Resignation und Anpassung das Verhältnis der Deutschen zum nationalsozialistischen Regime.“

Als Philosophin denke ich, dass das Wichtigste ist, das, was wir tun können, wenn wir sehen, dass die Verwaltung des Bundeskanzleramtes wachsen soll, dass die Militärausgaben immer noch mehr als die Hälfte größer sind als die Bildungs-und Forschungsausgaben, dass den Menschen Distanz als Sicherheit eingeredet wird und somit der Austausch untereinander sich immer mehr entfernt, dass wir uns die Fragen stellen: Was passiert hier wirklich? Wer nutzt die Situation der Menschheit jetzt in dieser einmaligen Weltsituation aus? Was für einen Nutzen hat dies für wen? Was macht das mit unserem Leben? Welche Konsequenzen tragen unsere Kinder und jungen Erwachsenen? Welche Folgen nehmen wir hin? Was geschieht mit der beschädigten Kulturwelt, mit der aufgehobenen Versammlungsfreiheit, mit dem Ausnahmezustand, mit einem Gesetz, das jederzeit demokratische Grundrechte beschneiden kann, mit den emotionalen, pädagogischen und wirtschaftlichen Auswirkungen? Welche Wissenschaft findet Gehör, welche nicht? Auch dieser Fragekatalog kann unendlich weiterfragen.

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Forschung auch von Krankheiten!

Als buddhistische Philosophin empfinde ich diese Fragen als Ausgangspunkt einer Selbstreflektion. Wie und wo stehe ich ganz persönlich als Mensch in diesem Geschehen? Was mache ich noch mit und wo hört es auf? Als ich am Montag ein Buch aus der Landesbibliothek abholen wollte und mir gesagt wurde, dass ich ein 3G brauche, habe ich die Welt nicht mehr verstanden. Ein Buch ausleihen, dauert 3-5 Minuten, je nachdem, ob ich noch ein paar Worte mit dem Bibliothekar wechsle oder nicht. Ein Aufenthalt im Supermarkt dauert mindestens 10 Minuten und dort sind mit Sicherheit viel mehr Menschen als in der Landesbibliothek, aber dort fragt mich niemand nach 3G. Welche Logik liegt hier zugrunde?

Als ich eine Zusatzvereinbarung von der Volkshochschule als Dozentin bekam, in der ich bestätigen sollte, dass ich die Teilnehmenden auf 3G überprüfe und dafür sogar 2 Euro pro Häkchen erhalte, fand ich mich wieder in dieser Frage: Wo stehst du und wofür stehst du?

Meine Entscheidung klärte sich mit dem weiteren Lesen des Buches von Raul Hilberg und mit der Meditation Zazen, die mir den leeren intuitiven Raum immer wieder neu öffnet, der die Antwort kennt, ohne dass ich darüber nachdenken muss.

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So schrieb ich zurück, dass ich auf keinen Fall eine derartige Vereinbarung unterschreibe und es nicht meine Aufgabe sei, die Entscheidung über den gesundheitlichen Zustand eines Menschen zu hinterfragen. Ich frage ja auch nicht nach Aids, Ebola, Hepatitis oder andere Erkrankungen wie Diabetes, dem jedes Jahr mehr Menschen zum Opfer fallen. Wer ist hier der Gewinner? Wer ist hier der Verlierer? Außerdem ließe ich mich nicht kaufen und für derartige Dienste auch noch bezahlen.

Noch leben wir in einer Demokratie und ich hoffe, dass dies auch noch lange der Fall ist.

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Das sagt alles, oder?

Wenn der Staat die Impflicht nicht für notwendig hält, dann ist in einem demokratischen Staat der Weg offen für ein Ja oder Nein mit der Akzeptanz aller. Wenn jetzt Verwaltung überhaupt in Erwägung zieht, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von Covid ohne Impfung einzustellen oder sich das 3G durch Testverfahren bezahlen lässt, so ist dies ein nicht demokratischer Akt, der hier an dieser Stelle auch offen so benannt wird. Er verletzt das Gleichbehandlungsprinzip massiv. Der Staat räumt uns die Freiwilligkeit ein, weil er weiß um die nicht abgeschlossene Forschung dieser eingesetzten Stoffe, die übrigens keine Impftechnik im gewohnten Maß ist, sondern eine gentechnische Maßnahme.

Mit einer solchen Freiwilligkeit geht auch die Konsequenz einher, keine Menschen mit Sondernmaßnahmen zu strafen, die nicht gerechtfertigt sind. Zu derartigen ungerechtfertigten Maßnahmen gehören auch Androhungen, die Stelle zu verlieren, wenn man sich nicht impfen lässt, wie das Verbot Cafés oder Kulturstätten zu besuchen. Die Welt besteht nicht aus 3G, sondern die Welt mit den mehr als 7 Milliarden Menschen ist eine Vielfalt, eine Buntheit, die weder durch 1G noch 5G begrenzbar ist.

Weltbevölkerung steigt: Neujahr schon 7,2 Mrd. Menschen

Jeder Mensch ist eine analoge vielfältige Welt. Gehen Sie über kleine Seitenwege im Wald und Sie entdecken Ihre Vielfalt im: über umgestürzte Bäume klettern, sich unter Zweigen hinwegducken, in ein Schlammloch treten, dem Gewirr der Insekten zuhören, die kleine Raupe an der Distel sehen, den Geruch frischer Pilze riechen.

Waldwege Foto & Bild | jahreszeiten, herbst, brocken ...
Ganz ohne Überlegen, Denken, Vorstellen setzen ihre Füsse die Schritte, bewegt sich der Körper durch die Hindernisse. Das ist Weisheit. Was hindert uns ihr zu vertrauen?

Dies alles reduzieren zu wollen auf eine digitale überprüfbare Welt löst eine Verkümmerung von Menschlichkeit aus. Der Mensch ist kein Bogen Papier in der Verwaltung, auf dem sein Name steht. Er ist lebendig. Er ist ein Wesen. Jeder, der einmal erlebt hat, wie ein Medizinischer Dienst mit dem zu Überprüfenden spricht und umgeht, weiß, wovon ich hier spreche. Das Grundgesetz der Würde wird hier in massivster Weise verletzt. Jeder Haken, jeder Buchstabe einer Verordnung bedeutet eine Auswirkung auf Menschen und ihr Leben. Wahrhaftig jeder!

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Das ist nicht nur Papier!

Das ist nicht nur Papier. Antworten sind jedoch so reich wie die Menschheit: Es gibt nicht immer nur eine Lösung, sondern der Berg der Alternativen ist unermesslich; sogar verwaltungstechnisch. Am Ende einer jeder Leistung steht ein Mensch, auf beiden Seiten!

Als Zen-Buddhistin sehe ich hier eine verdeckte Gier, eine Blindheit und einen Hass wachsen, der der Menschlichkeit nicht gut tut. Daher bitte ich darum, sich immer wieder der Welt der Fragen zu stellen und diese Fragen auch öffentlich zu formulieren. Das ist gelebte Demokratie. Tun wir es einfach, denn tun wir es nicht, hat die Gier, die Blindheit und der Hass die Chance ungehindert zu wachsen, wo wir doch alle lieber im inneren und äußeren Frieden leben wollen.

Doch der Friede entsteht nicht dort draußen, sondern die analoge Welt eines jeden einzelnen Menschen ist der Ort, der den Frieden reifen lässt und von dort geht er in die Welt und in die Herzen der Menschen.

Der große grönländische Schamane Angaangaq sagt: Schmelzt das Eis in euren Herzen!

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Sehr zu empfehlen.

Vergesst niemals, dass jede Maßnahme, der ihr zustimmt, Auswirkungen hat, nicht nur auf das Andere und den Anderen, sondern auch auf dich selbst.

Seine Mutter sagte zu ihm: „Nur indem wir das Eis in den Herzen des Menschen schmelzen, hat der Mensch die Chance, sich zu ändern und sein Wissen weise anzuwenden.“

Tun wir es einfach!

Wohlstandsgesellschaft und Weisheit

Irgendwie begegnete mir in der letzten Zeit immer wieder das Wort „Wohlstandsgesellschaft“.

Gerade jetzt in einer Zeit, in der eine Angst vor der Pandemie Wache hält, fällt vielen Menschen hier gar nicht auf, was es bedeutet in einer Wohlstandsgesellschaft zu leben und welche Auswirkungen unser aller Tun auf nicht wohl stehende Gesellschaften hat. Was heißt eigentlich „Wohlstandsgesellschaft“?

In meiner Kindheit, ich bin jetzt 60 Jahre alt, wurde ich im Ruhrpott groß. Meine Mutter wohnte mit uns drei Kindern (mein Vater verstarb früh) in einer Wohnung, die keine Zentralheizung kannte und auch keine angeschlossene Kanalisation. Unsere Toilette war ein Plumpsklo in der Nähe des Gartens. Im sogenannten Badezimmer gab es ein Waschbecken mit kaltem Wasser. Die Badewanne hatte einen Heizkessel, der mit Holz, bei uns in der Regel mit Kohle beheizt werden musste, um baden gehen zu können.

Dies ist gerade 60 Jahre her. In diesen 60 Jahren hat sich unsere Welt mehr verändert als je zuvor. Wir haben eine Welt geschaffen, die fiktional aus Zahlenfolgen besteht. Die Heizung wird programmiert. Das Auto wird programmiert. Die Hörgeräte werden programmiert. Der Arbeitstakt wird durch Controlling programmiert. Überall definieren Zahlen unsere Welt.

In meiner Kindheit gab es nicht einmal ein Telefon im Haus. Erst als ich 12 Jahre alt war, also Mitte der 70-er Jahre erhielten wir ein eigenes Telefon. Bis dahin mussten wir in eine Telefonzelle gehen, wenn wir anrufen wollten. Interessanterweise wollte das keiner. Es wurde wirklich nur im Notfall benutzt. Wenn wir Oma und Opa besuchen wollten in Düsseldorf wurde kurz von der Telefonzelle durchgeläutet oder schnell eine Karte geschrieben. Es gab keine O/1 – Folgen. Die Maschinen waren analog gesteuert, d.h. es konnten unendlich viele verschiedene Wertigkeiten entstehen. In der digitalen Welt entstehen sogenannte Teilmengen. Die Ausgangsmenge wird reduziert, auf dass, was wirklich gebraucht wird. Dabei entsteht jedoch immer die Frage: Wer oder was entscheidet, was gebraucht und was nicht gebraucht wird?

Wir bekamen ein Fernsehen ebenfalls Mitte der 70-Jahre. Ich verbrachte also eine Kindheit ohne beständige Erreichbarkeit, ohne „die Sendung mit der Maus, ohne Krümmelmonster, ohne Logo“. War dies eine einfache Kindheit oder eine schwere Kindheit? Was haben wir bloß den ganzen Tag gemacht? Was machten wir, wenn wir aus der Schule kamen? Wie verabredeten wir uns ohne Telefon? Wie ging das überhaupt?

Heute in unserer jetzt über die Jahre erarbeiteten „Wohl-stands-gesellschaft“ können sich die nachfolgenden Generationen gar nicht mehr vorstellen, kein Badezimmer, und sei es auch noch so klein, zur Verfügung zu haben. Die ganze Pandemie hätte anders gelöst werden müssen, wenn es die digitale Welt nicht gäbe. Wäre es nicht einmal ein Gedankenspiel wert, sich vorzustellen, wie eine Schule, eine Arbeitswelt, eine Lebenswelt sich gestaltet ohne digitale Welt? Was könnten wir von dieser Idee lernen und mitnehmen als einen möglichen alternativen Lösungsansatz für derartige Problemfelder?

Die „wohl stehende Gesellschaft“ steht für eine Gesellschaft, die es geschafft hat, einer Gesellschaft, der es gut geht, einer Gesellschaft, die es möglichst jedem ermöglicht, sein Leben in Freiheit zu leben. So scheint es uns zu sein. Doch, dieser Begriff „wohl stehende Gesellschaft“ kann auch anders aufgefasst werden. Ein Computer kann dies nicht lesen. Er liest immer dasselbe. Wohl stehende Gesellschaft. Doch, machen wir eine kleine Veränderung. Wir zeichnen es einmal so: die wohl stehende Gesellschaft? Hier schwingt eine Idee mit hinein, die sich fragt: Steht sie wirklich? Ist sie wirklich gut dastehend? Steht sie wirklich wohl? Es kommt so ein kleiner Zweifel mit hinein.  Ist dies nicht ab und zu berechtigt?

Denn in dieser wohl stehenden Gesellschaft wird nicht hinterfragt, worauf sich dieser Wohlstand baut, wo er herkommt, was wir tun, damit es so ist? Doch, es kommt noch ein Fakt hinzu, der total vergessen, ausgeblendet wird.

Dazu eine Geschichte. Vor ca. drei Jahren standen morgens plötzlich drei Männer in meiner Haustür. Wir wohnten gerade zwei Jahre in Rödental in unserer alten Dame, so nenne ich liebevoll unser 110 Jahre altes Haus. Ich schaute sie fragend an. Der eine Mann kam von der Telekom und war so eine Art Abteilungsleiter. Der zweite Mann kam auch von der Telekom und war Techniker. Der dritte Mann war ein Nachbar, der vier Häuser weiter auf der anderen Straßenseite wohnte. Meine Frage logisch: Was ist los? Wie kann ich ihnen helfen? Der Telekom-Mann, der mir übrigens einen Ausweis zeigen konnte und einen Auftragsbeleg hinhielt, erklärte, dass in unserem Haus ein Verteiler für Kabel der Post wären. Wenn ich ihn und den Techniker nicht ins Haus ließ, könnte mein Nachbar keinen eigenen Internet-Anschluss erhalten. Begreifen Sie, was ich hier erzähle. Dies ist so geschehen. Und der Telekom-Mann sagte, dass es hier noch leicht wäre den Anschluss ausfindig zu machen. Es gäbe Regionen in Deutschland, da müssten sie lange suchen, bis sie den richtigen Verteiler finden würden. Ja, und dann gäbe es natürlich noch das Problem, das ich sie gar nicht ins Haus lassen müsste. So gäbe es auch etliche Klagen von Menschen, die jedoch auch gerne ihren eigenen Internet-Anschluss haben wollten.

Diese ganze Digitalisierungs-Welle vergisst das Fundament. Jetzt stellt sich die Frage: Wer vergisst wirklich das Fundament? Unsere Basis? Ist das Fundament nicht unsere Menschlichkeit? Ist das Mensch-Sein nicht das erste, was uns begegnet? Ist nicht das Mensch-Sein unser aller verbindendes Element? Wo ist es geblieben? Wer beachtet es noch? Wie steht der Mensch wohl in seiner eigenen Gesellschaft? Steht der Mensch wirklich wohl in seiner menschlichen Gesellschaft?

Herrmann von Keyserling, ein Philosoph und Autor war Gründer der Schule der Weisheit in Wiesbaden. Er schrieb das Buch „Wiedergeburt“. Vielleicht sollten wir uns genau an der Stelle, an der wir jetzt sind, genau fragen: Ist uns das Fundament unseres Daseins noch wichtig? Hat es noch einen Wert, der beachtet werden sollte? Ist uns als Mensch die Menschlichkeit wichtiger als anderes oder ist uns eine Technik, die unsere Welt in Teilmengen auflöst wichtiger?

Wir könnten uns aus Weisheit zu einer Art Wiedergeburt entscheiden, die Herrmann von Keyserling so beschreibt: „Das eigentliche Problem dieser Zeit [werde] seiner Lösung zugeführt. Dieses ist, wie ich wieder und wieder gezeigt habe, kein intellektuelles, sondern ein vitales. Das aber andererseits nur vom Geist her zu lösen gelingt.“ (Keyserling 1927, S. 9)

Er schlägt uns also vor, ein lebendiges, ein „vitales“ als Lösung zu nehmen. Eine Aufgabe, die er sagt, die nur mit einem Geist zu lösen ist. Wo geht unser menschlicher Geist hin? Lassen wir ihn in den Tiefen von Zahlen untergehen? Vergessen wir unseren menschlichen Geist, der die Weisheit des ganzen Lebens bereits kennt? Wie können wir ihn wiederentdecken? Wie können wir ihn wiederbeleben, wieder neu gebären?

Wenn ich mit den ZenhoflerInnen Zazen praktiziere, tun wir genau dies. Wir entdecken unsern menschlichen eigenen Geist. Wir sehen die Hindernisse, die uns fernhalten vom menschlichen Geist. Wir erfahren, die „Vitalität“ des tiefen Lebens. Wir tun unbekannte Lösungen auf. Wir entdecken Zusammenhänge. Z.B. Die in der wohl stehenden Gesellschaft verteilten Masken produzieren Müll und verbrauchen Ressourcen. Irgendwo kommen sie her. Unsere Medizin-Produkte irgendwo kommen sie her. Was verbrauchen wir ohne zu fragen, was es bedeutet? Was passiert mit unserem Wohl-stands-gesellschafts-müll?

Wenn wir praktizieren, schauen wir uns unseren Müll an, wir sehen, wie wir unsere Ressourcen verschwenden und nicht achtsam mit unserem Körper und Geist umgehen. Wenn jeder Mensch auf der Welt, immerhin über 7,8 Milliarden Menschen und wenn es auch nur für einen einzigen Augenblick wäre, einen gemeinsamen Atemzug gleichzeitig tun, würde dies die Menschheit in einem menschlichen Geist spüren können.

Es ist schon lange eine Idee von mir. Es wäre eine logistische Meisterleistung. Tatsächlich alle Menschen auf der Welt nur für eine einzige Minute an das Schönste in ihrem Leben denken zu lassen. Können wir uns wirklich vorstellen, was das mit uns macht? Können wir uns wirklich vorstellen, wie die Menschheit diese Nähe spüren könnte?

Ich glaube nicht, doch würde ich es gerne einmal ausprobieren. Im Zendo, wenn der Geist für einen kurzen Augenblick diesen Ruhepunkt erreicht, wo alle, die da sind, irgendwie gleich schwingen, dann ist da eine so unglaubliche Ruhe. Ich denke, es täte uns allen gut, diese Ruhepunkte erfahrbar zu machen von klein auf für eine Welt voller Menschlichkeit.

„Die Chinesen, welche von Weisheit mehr verstehen als irgendein Volk, bezeichnen den Weisen durch eine Kombination der Ideogramme für Wind und Blitz: weise sei nicht der abgeklärte alte Mann, welcher alle Illusion verlor, sondern der dem Wind gleich unaufhaltsam vorwärts stürmt und an keiner Station zu fassen ist; welcher dem Blitz gleich die Luft reinigt und, wo es gerade nottut, einschlägt.“ (Keyserling 1927, S. 45)

Die Schule der Weisheit möge sie uns alle erreichen. http://www.ipph-darmstadt.de/schule-der-weisheit/

Wirklichkeit und Wahrscheinlichkeit

Als wir jetzt über Ostern eine Schweige-und Meditationswoche abhielten, kam mir ein Satz:

Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Dinge sind dabei nicht nur sächlich gemeint, sondern wie der Japaner mit dem Wort „mono“ sagt, einfach alles, was es im ganzen Kosmos gibt.

Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Was bedeutet das? Jeder Mensch tut etwas, auch wenn er nichts tut, tut er etwas, nämlich dieses „scheinbar“ Nichts. Doch, wenn wir ganz ehrlich zu uns selbst sind, gibt es keinen Menschen, der nicht irgendetwas tut. Das Tun sind so einfach Dinge wie Trinken und Essen, zur Toilette gehen und sich waschen. Gehen wir von den basalen Bedürfnissen des Menschen weiter, müssen Menschen, die essen und trinken wollen, etwas tun, so dass sie dies können. Also gibt es Felder, die bestellt werden mit Gemüse, Hopfen, Getreide, Kartoffeln, Reis, Kaffee, Kakao. Die Menschen stellen Tiere auf die Felder und lassen sie Gras fressen oder halten sie in Herden und treiben sie über das Land, was immer weniger wird auf unserem Globus.

Wir verarbeiten diese geernteten Rohprodukte zu kauffertigen Produkten. Vor ca. 60 Jahren gab es noch das Butterfass und die Milchkanne. Heute gibt es den Tetrapack. Wir Menschen haben also Maschinen entwickelt, die die Rohstoffe verarbeiten, einpacken. Wir haben Maschinen entwickelt, die diese Produkte liefern können. Wir Menschen haben Geld als Tauschmittel entwickelt, um nicht wie teils noch vor 100 Jahren, selbst ein Produkt anbieten zu müssen, um ein anderes zu erhalten.

Maschinenbau

Wir Menschen sind also sehr erfindungsreich im Umgang mit den Dingen. Was auf dem wirtschaftlichen Markt funktioniert, funktioniert auch im sozialen Bereich. Wie sieht dies aus? Wir Menschen stellen mittels Verfahren fest, dass es „normale“ Menschen gibt und „nicht normale“ Menschen. Diese „nicht normalen“ Menschen nennen wir behindert, alt oder psychisch krank, seit Freud, die Medizin um die Krankheiten der Seele erweiterte. Dies führt dazu, dass wir Menschen nun auch hier Dinge erschaffen, die diesen Menschen helfen. Den stark pflegebedürftigen Menschen schenken wir Häuser, in denen sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gepflegt werden. Wir bauen Heime und Unterstützungssysteme auf. Um herauszufinden, was wir Menschen noch alles tun können, mit den Dingen/Menschen/Tieren/Pflanzen entwickelten sich Wissenschaften, die das erforschen.

Die Medizin lehrt uns den Umgang mit dem menschlichen Körper. Sie verspricht uns, ihn zu heilen. Während in den vorigen Jahrhunderten die meisten Menschen noch wussten, wie sie sich selber heilen können, haben sie nun dieses Tun abgegeben, ausgelagert. Heute sagen wir so schön „Outsourcing“.  Die Biologie klärte über unsere Entstehung auf. Nun gibt es keinen Klapperstorch mehr oder den göttlichen Willen in der Fortpflanzung, sondern die Zellen übernehmen diese Funktion. Dabei lagerten wir Menschen die Zellen unseres Körpers ebenfalls aus und wir entdeckten, was wir alles damit machen können. Wir können klonen. Wir können mit den Zellen außerhalb unseres Körpers Wachstum erzeugen. Wir können mit Zellen ein Organ füttern.

Die Physik erreichte in der Quantenphysik eine Größe, die über die Zellebene hinausgeht. Sie betrachtet die atomare Welt. Dabei erkannte sie, dass es Prozess in den Atomen gibt, die mit Begriffen wie Unschärfe, Wahrscheinlichkeiten, Korrelationen usw. bezeichnet wurden. Synthetische Lebensmittel und Medizin, die Atombombe entstanden.

p(A)   =     Zahl der günstigen Fälle  geteilt durch die Zahl der möglichen Fälle 
Einfache Wahrscheinlichkeit berechnen.

Menschlichkeit ist also der Umgang mit den Dingen. Und wie dieser kurze Abriss einen nur winzigen Ausschnitt unseres menschlichen Tuns zeigt, erschaffen wir permanent Dinge, bauen sie um, bauen neu, erfinden, erforschen und entdecken immer wieder Neues. Was tut der Mensch hier eigentlich? Ist dieses permanente Tun eine Wirklichkeit oder ist es eine unendliche Wirklichkeit?

Gehen wir von dem einfachen Wort Wirklichkeit aus, so können wir sagen, dass in dem Substantiv Wirklichkeit das Tu-Wort oder Verb „wirken“ steckt. Auf der Tu-Ebene ist der Umgang des Menschen mit den Dingen also ein Wirken. Wirken steht für Arbeiten, Fertigen, Ausführen, Verrichten, Vollbringen. Wirken steht ab dem 16 Jhd. für die tatsächliche Existenz, für die Realität. Es steigt auf in das Tun als ein Handeln, ein Erschaffen als ein Schöpfungsakt. Es entsteht der Gedanke der Kreativität.

Dieses wirkliche Tun hat also immer etwas mit einer tatsächlichen Existenz eines tuenden Aktes zu tun. Wenn meine Finger hier über die Tastatur gleiten, ist der schöpferische Akt vielleicht diese Zeilen zu schreiben, aber der wirkliche Akt ist und bleibt die Berührung meiner Finger mit diesem Ding, dem wir den Namen Tastatur geben. Weiterhin Wirkliches ist an mir die Körperhaltung. Ich sitze auf einem Stuhl. Die beiden Füße berühren den Boden. Sie stehen flach auf. Meine Augen sehen etwas. Meine Ohren hören das feine Klicken der Tasten oder das leichte Brummen des Computers. Meine Zunge schmeckt vielleicht das zuletzt Gegessene oder Getrunkene. Mein Körper fühlt sich warm oder kalt an. Ich habe neben diesem, was ich da scheinbar auf der Bildfläche des Computers sehe, also noch wirkliche Existenz. Ich lebe.

Doch, was passiert da auf dem Computerbildschirm. Ich sehe etwas, das wir als Buchstaben bezeichnen. Buchstaben sind ein langwieriger kultureller Aspekt. Über tausende von Jahren entwickelten sie sich durch das Tun der Menschen, indem sie ihre Zungen bewegten, feststellten, dass wir noch mehr Laute hervorbringen können als Ah oder Oh oder Uh. Wir bildeten Sprachen aus. Menschlichkeit zeichnet sich durch den Umgang mit den Dingen aus, auch dem Umgang mit dem menschlichen Potenzial Körper. Die Stimme als ein Instrument, als ein Produkt unseres Tuns, das wir nutzen und benutzen können.

D.h. die Worte, die sie jetzt hier lesen, sind abertausende von Erfahrungen von Zungen-, Mund-, Nase- und Atmungsbewegungen. Eines menschlichen Tuns. Was passiert nun aber hinter dieser Oberfläche eines Computers? Hinter dieser Oberfläche ist eine Maschine, deren Kontakte auf Strom/Energie angewiesen sind. Diese Stromkontakte setzten sich in Schalteraktivitäten um, die „an“ oder „aus“ heißen. Seitdem die digitale Technik auf dem Vormarsch ist, gibt es nur noch diese beiden Schalterstellungen. Die analoge Technik, die noch Zwischentöne und Spannungen ermöglichte, verliert immer mehr den Boden. Was bedeutet das für den menschlichen Umgang mit den Dingen?

Wir reduzieren uns scheinbar selbst. Wir verkleinern unsere Welt der Dinge, auch wenn wir glauben, wir hätten über die Digitalisierung unsere Welt vergrößert, weil wir können nun jederzeit nachschauen, wieviel Uhr in Südamerika ist. Wir können nachlesen, wieviel Tote weltweit es an Covid 19 gibt. Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus beläuft sich aktuell auf mehr als 3 Millionen. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1103785/umfrage/mortalitaetsrate-des-coronavirus-nach-laendern/). Die Letalitätsrate zeigt das Verhältnis von Toten zu Infizierten an. Sie liegt derzeit weltweit bei 2,6 %. Wir lesen dies und halten dies für eine Wirklichkeit, wie die Buchstaben auf dem Bildschirm, die Bilder im Fernsehen oder die Monitoraufnahmen des Ultraschallbildes. Doch, was ist die Wirklichkeit wirklich? Ist sie so klein, dass sie in 0-1-Folgen gefasst werden kann? Jede Bibliothek der Welt gibt mehr Information als ein Netz aus 0-1-Folgen, das irgendjemand füttern muss. Jeder Mensch ist „uni-versell“, dass heißt alles, was möglich ist, spiegelt sich in ihm wieder. Was ist wirklich wirklich?

Doch, was geschieht hier mit uns? Wir gleiten in eine Welt der Wahrscheinlichkeit ab. Leise und unbemerkt verliert der Mensch seinen menschlichen Umgang mit den Dingen. Die Welt geht in Zahlen auf. Diese Zahlen beruhen auf Berechnungen, die auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung basieren. Wer sich ein wenig mit Mathematik auskennt, weiß, dass die Wahrscheinlichkeitsrechnung eine der merkwürdigsten mathematischen Größe ist, weil sie eben keine tatsächliche Existenz mehr beschreibt, sondern eben Angenommenes, eben Wahrscheinliches. Dabei wird uns Menschen erklärt, dass diese Wahrscheinlichkeiten der Realität sehr nah kommen. Doch, ist das wirklich so?

Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Wenn wir unsere menschliche Welt auf Wahrscheinlichkeiten aufbauen, was passiert dann mit dem menschlichen Umgang mit den Dingen, die den Menschen auszeichnen?

Eine Meditierende verlor letzte Woche ihre Mutter. Sie verstarb. Sie steht mir gegenüber und sagt, dass dieses letzte Jahr einfach nur unmenschlich war. Warum? Weil sie hätte eine Maske getragen, hätte gut 2 m von ihrer im Rollstuhl sitzenden Mutter gestanden, die noch hinter einer Scheibe saß. Kommunikation? Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen.

Wir produzieren in den letzten Monaten soviel Müll wie lange nicht. (https://www.br.de/nachrichten/bayern/volle-tonne-im-corona-lockdown-produzieren-wir-mehr-muell,SN8BL4L). Umwelt und Ökologie scheint in weite Ferne zu rücken. Ja, es fliegen weniger Flugzeuge, Autos fahren weniger, aber hier direkt vor unserer Haustür entstehen Berge von Müll durch Anlieferung von Dingen. Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Wo ist jetzt der Gedanke einer Greta Thunberg hier im direkten wirklichen Tun?

Der Knopfdruck am Computer. So leicht. So einfach. Ein solcher Knopfdruck verwandelt sich in eine Wirklichkeit, die zum Beispiel darin besteht, dass unsere Hände und unsere Körper Müll entsorgen müssen. Die scheinbare saubere Welt dieser Maschine löst sich auf in Bergen von Müll, die nicht mehr scheinbar oder wahrscheinlich sind, sondern ganz wirklich. So wirklich wie das Absterben der Bäume durch den Borkenkäfer im Sauerland oder das Abholzen des tropischen Regenwaldes für Fleisch und Obst für die Exportländer, die auch Deutschland heißen.

Borkenkäferbefall im Sauerland. Ganze Landstriche verändern sich.

Die Welt der Wahrscheinlichkeit, die berechnet, dass so und so viele Menschen sich impfen lassen müssen, dann… Die Welt der Wahrscheinlichkeit, die mit Inzidenzen das Tun einer Politik begründen will, wobei die Inzidenz nichts Anderes ist als eine Zahl, die positive Tests auf 100 000 Einwohner angibt. Um diese Zahl nachweisen zu können, brauche wir Inzidenzen, also brauchen wir mehr Tests, also schaffen wir Regelungen, die uns Tests beschaffen und dann können wir wieder aufgrund dieser wahrscheinlichen Ergebnisse neu handeln. D.h. wir Menschen handeln schließlich nicht mehr nach wirklichem Geschehen, sondern befinden uns in einer Art „Fata morgana“, die alle Menschen für die wirkliche Welt halten, weil sie die wirkliche Welt nicht mehr kennen. Wo ist sie geblieben? Was ist die wirkliche Welt wirklich?

Die menschliche Berührung, die einen Säugling wachsen lässt. Das Anfassen eines Buches, einer Pflanze, eines Menschen verschwindet in den Tiefen von Wahrscheinlichkeiten, so dass das wirkliche lebendige Leben erlahmt. Wir Menschen bestimmen unsere eigene Menschlichkeit im Umgang mit den Dingen. Kinder, die keinerlei soziale Kontakte haben, die aus ihrem berührenden menschlichen Umfeld herausgerissen werden, entwickeln wie die Pädagogik und Psychologie erforscht hat, sog. Hospitalismus-Erscheinungen.

Wie äußern sich diese? „Verlangsamte Motorik, eine passive Grundstimmung bis hin zur Apathie,  eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten, aber auch Störungen der Wahrnehmung und beim Lernen“ (Stangl, 2021).

Ursachen sind unter anderem: Mangelnde oder fehlende emotionale Bindung und langfristiger Reizentzug. (https://www.gesundheits-fakten.de/hospitalismus/).  

Social Distancing!

Hier stellt sich die Frage: Was leben wir seit nun mehr als einem Jahr? Wo sind unsere emotionalen Bindungen zu unserer sozialen Welt? Wo sind unsere Reize, wie Theater, Konzerte, Kino und Gemeinschaft? Sind wir auf den Weg eine hospitale Gesellschaft zu erschaffen, die in ihrem Endstadium nur noch apathische Bürger und Bürgerinnen kennt?

Erschaffen wir eine Welt, in der die Wahrscheinlichkeit in Form von 0-1-Ketten die Realität bilden, obwohl erst das handelnde Tun den Menschen menschlich sein lässt?  Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Dieser ist so echt und wahrhaftig wie es kaum zu glauben ist. Menschlichkeit ist so bunt wie der Frühling. Er ist nicht schwarz weiß wie die Steinwelten in immer mehr Vorgärten uns vorgaukeln wollen, wo künstliche Schmetterlinge das wenige Grün zieren, während der wirkliche Schmetterling immer mehr verschwindet.

Vorgarten aus stein
Einseitige Vegetation. Ohne Leben.
Blühende Blumen im Vorgarten - Bild kaufen - 11077161 ...
Lebendigkeit. Buntheit des Lebens.

Wir sind die Menschen, die entscheiden, wie sie wirklich leben wollen. Lebendige Lebendige oder tote Lebendige? Wir Menschen sind „denkende Wesen“, so behaupten wir, dann sollten wir uns anstrengen, dieses Denken auch für die Welt und die Wirklichkeit einzusetzen, denn in einer wahrscheinlichen Welt verhungern und verdursten wir, weil niemand mehr das Gemüse pflanzt, niemand mehr die Maschine zum Ernten bedient, niemand mehr dafür sorgt, dass unser Trinkwasser sauber bleibt und dass unsere Fäkalien dorthin kommen, wo sie hingehören. Das ist Wirklichkeit. Das ist menschliches Wirken. Einen Computer, einen Mikrochip, eine Blockchain können wir nicht essen!

Wir Menschen sind menschlich im Umgang mit den Dingen. Schauen wir uns selbst bei unserem Tun zu und stellen uns die Frage im Angesicht des ganzen Geschehens von Welt: Ist das menschlich? Ist das sozial? Ist das pädagogisch? Ist das lebendig? Ist das emotional? Und die wichtigste Frage lautet: Was ist wirklich? Lasst uns immer wieder nach dieser Wirklichkeit schauen. Sie ist ein guter Leitfaden für ein lebendiges Leben.

Verwendete Literatur

Stangl, W. (2021). Stichwort: ‚Hospitalismus – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.

WWW: https://lexikon.stangl.eu/5541/hospitalismus (2021-04-21)

Brief an Angela Merkel

                                                                                                                                                            28. April 2020

Sehr geehrte Frau Angela Merkel,

Sie sind seit dem 22. November 2005 unsere Bundeskanzlerin. Sie sind eine gebildete Frau, von der ich hoffe, dass Sie dies nicht im Angesicht der vielen Jahre in einem Machtgefüge vergessen haben.

Wie Sie dem Briefkopf entnehmen, bin ich Philosophin, aber dies war ich nicht immer. Ich werde in diesem Jahr 60 Jahre alt. Ich habe als junge Frau von 18 Jahren den Beruf der Kinderkrankenschwester erlernt, arbeitete 12 Jahre in diesem Beruf, vor allem auf einer Frühgeborenen Intensivstation, d.h. ich weiß, wie es in Krankenhäusern zugeht. Über den zweiten Bildungsweg machte ich mit 32 Jahren Abitur und studierte auf Lehramt für die Sek I Mathematik, Ökotrophologie und Pädagogik. In meinem Lehrerberuf wurde ich noch Ausbilderin für Mathematiklehrer am Studienseminar. Auch diesen Beruf übte ich 12 Jahre aus. Eine Erkrankung führte dann zur Frühverrentung. Dennoch gab ich nicht auf. Ich nahm das Studium der Philosophie auf und promovierte 2018 an der Karls-Universität in Prag. Das heißt, Sie haben es hier mit einer Person zu tun, die ebenfalls gebildet ist. Diese Bildung erweiterte ich in den letzten 15 Jahren durch eine zen-buddhistische Praxis, die mich zusätzlich die Weisheit lehrte.

Daher erlaube ich mir die folgenden Worte. Es war einmal ein Land, in dem ein Mädchen groß wurde, das für Demokratie und Meinungsfreiheit stand. Es war einmal ein Land, in dem eine Frau ihren Berufsweg ging mit freier Entscheidungsmöglichkeit. Es war einmal ein Land, in dem eine Frau, die alt wurde auf etwas traf, dass sie in der Schule gelernt hatte und mit dem sie sich viele Jahre in Form von Büchern auseinandersetzte. Ihr Schwiegervater war Stalingradkämpfer gewesen und sieben Jahre in sibirischer Gefangenschaft. Sein Leben verdankte er dem spontanen Einsatz einer jüdischen Ärztin, die ihm Adrenalin in sein stillstehendes Herz spritzte. Durch ihn wusste sie von einem anderen Land.

Jetzt ist ein Land zu sehen, dass dem der Vergangenheit in der jungen Erwachsenenzeit meines Schwiegervater ähnelt. Es wurden Gesetze durch die Legislative gebracht, die es ermöglichen, den Bürgern des Landes etwas von ihrer Freiheit zu nehmen. Sie bekommen Verbote, und bei deren Nichteinhaltung wird die polizeiliche Gewalt benutzt und eine Bestrafung eingeführt.

Den Menschen wird wie eine Art Gehirnwäsche jeden Abend auf allen Kanälen im Fernsehen zur Hauptsendezeit eine Sondersendung zugemutet, die Berichte zeigt, die mit keinem einzigen Wort wissenschaftlich belegt sind. Wo sind die Forschungen der Wissenschaft der letzten 100 Jahre?

Die Soziologie erforschte, was mit Menschen passiert, die in Isolation leben; häusliche Gewalt, Suizid, Scheidungen. Die Pädagogik erforschte, was mit Kindern geschieht, wenn sie keinen Austausch zum Wachsen und Reifen in heterogenen Gruppen haben. Die Philosophie weist in vielfältiger Literatur auf Staatengebilde und deren Aussehen und Wirkungen hin. Die Psychologie erforschte Menschen, die keine Aufgabe mehr haben, die sich verlieren – Viktor Frankl ist da der Name, der hier gerade besonders passt. Dazu gehören Untersuchungen über Suizid-Raten und Hospitalismus. Die Ökologie weist auf die Folgen der Ausbeutung hin. Die Biologie (Maturana und Varella, Der Baum der Erkenntnis) weisen nach, dass nicht das Milieu die Zelle bestimmt, sondern die Zelle nimmt sich, was sie braucht. Wer ist jetzt diese Zelle, die sich nimmt? Wo sind diese wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Menschen jetzt?

Die WHO legt folgende Definition für Gesundheit fest:

„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

Derzeit, wo wir alle eine besonders gute Gesundheit brauchen, wo die Angst vor Ansteckung wie ein Feind umherzieht, wird uns das körperliche Wohlergehen genommen (z.B. die Sportvereine und Fitnessstudio-Besucher/Innen), das geistige Wohlergehen (z.B. Theaterbesuch, Kino, Konzerte, Bibliotheken) und das soziale Wohlergehen (z.B. Vereinsbesuche, Nebenjobs als Kellner, Zimmermädchen, Kinderfrau, mit Freunden einen Restaurantbesuch, in Urlaub fahren…).

Was passiert hier? Ist die Antwort in einer digitalen Welt zu finden? Macht sich der Mensch selbst zu einer künstlichen Intelligenz? Geld brauchen wir nicht mehr. Es gibt ja Bitcoins. Notare und Ärzte brauchen wir nicht mehr. Es gibt ja Blockchain und die digitale Antwort auf alle Gesundheitsfragen. Wir brauchen auch kein Kino mehr, weil es gibt ja Stream und einen Anbieter dafür. Wir brauchen keine Konzerthalle mehr, weil es gibt ja Youtube. Ein Zukunftsszenario des Club of Rome für das Jahr 2052 legt folgendes auf der Seite 383 dar: „Erziehen sie ihre Kinder nicht zu Naturliebhabern. […] Wenn sie ihrem Kind beibringen, die Einsamkeit der unberührten Wildnis zu lieben, wird es etwas lieben, das es immer seltener geben wird. [Wenn ihr Kind das nächste Mal am Computer sitzt, sagen sie lieber nichts.]“

Wollen Sie eine derartige Welt? Jetzt scheint eine Entscheidung zu fallen. Hält uns die Angst vor der Fremdheit eines Virus in Griff, der bis jetzt – egal, wo die wirkliche Wissenschaft zu Wort kommt -, als nicht gefährlicher als andere Influenza-Viren eingestuft ist, so rutschen wir in eine Welt, die an die Zeit von 1930 erinnert.

Ich wurde 1960 geboren. Ich erlebte diese Zeit nicht. Jedoch die Arbeit in der Meditation lehrte mich die Schatten und das Licht des Menschen zu sehen. Derzeit finde ich es mehr als bedenklich, was hier gerade in diesem Land geschieht, in dem ich geboren wurde, in dem ich 60 Jahre in Freiheit lebte und in dem ich nun mit Freiheitsberaubung, Ausgehverbot und Versammlungsverbot sitze. Lautsprecher fuhren durch die Straßen und verboten das Hinausgehen. Klingelt es da bei Ihnen nicht? Sind Sie schon so weit von der Basis weg, von deren Existenzen jetzt tausende zu Grunde gehen. Statt Billionen in Sondergelder zu stecken, wäre, wenn es wirklich sinnvoll hätte sein sollen, dies ein Gesetz für die Grundsicherung gewesen. Wichtiger als ein Gesetz für die Ermöglichung von Versammlungsverbot und Ausgehverbot – Gesetze gegen unser Grundgesetz!

Wissen Sie eigentlich wie das ist, wenn Sie am Ende des Monats nicht mehr wissen, wie Sie ihr Brot bezahlen sollen? Wissen Sie eigentlich wie es ist, wenn Sie am Anfang des Monats nicht wissen, wie sie die Miete bezahlen sollen oder die Versicherung? Wissen Sie, dass es Frauen gibt, die drei oder vier Jobs haben, um über die Runden zu kommen? Sie nehmen diesen Menschen Ihr Leben. Selbst, wenn Sie alle Menschen finanziell unterstützen könnten – was Sie nicht können – fallen Tausende durch das Raster. Es bleibt die wissenschaftliche Erkenntnis im Raum stehen, dass der Mensch eine Aufgabe braucht.

Sie nehmen den Menschen derzeit nicht nur ihre existenzielle Grundlage, sondern auch die Menschliche. Dies klage ich an!

Ich erwarte von Ihnen als gebildete Frau, dass Sie sich Ihres eigenen Verstandes bedienen und diese grundgesetzverachtenden Gesetze so schnell wie möglich aufheben, dass Sie den Menschen ihre Menschlichkeit zurückgeben. Ein Mensch in Isolation ist manipulierbar und verachtet. Nur Menschen in einer Gemeinschaft haben Siege und Erneuerungen davongetragen. Die Wiedervereinigung vor 30 Jahren zeigt dies mehr als deutlich.

Stellen Sie sich die Fragen:

Wo wollen Sie leben?

Wie wollen Sie leben?

Was wollen Sie sein?

Wollen Sie wirklich den Schaden so vergrößern, dass die totalitäre Macht gewinnt?

Kennen Sie die Verlierer-Seite oder nur die Gewinner-Seite?

Von was lassen Sie sich manipulieren?

In diesem Sinne grüßt Sie eine gebildete und weise Frau, Philosophin und Zen-Lehrerin, die sich auf Ihre Antwort freut.

Mit freundlichen Grüßen