Unser Zenhof Rödental hat eine kleine Bücherecke eingerichtet. Dort treffen sich jetzt die verschiedensten Bücher der verschiedensten Menschen. Da ich im Zenhof lebe, habe ich freien Zugriff auf die angebotene Literatur, die jetzt aus Juli Zeh mit dem Titel „Über Menschen“ bestand.
Als Philosophin interessiert mich alles, was ich „über Menschen“ und „Über Menschen“ erfahren kann. Das Buch ist ein Volltreffer. Ich habe selten einen Roman gelesen mit so vielen wunderbaren Sätzen.
„Das ist es, was ihr vergessen habt“, ist nur ein Teil des vollständigen Satzes. Die vollständige Stelle heißt: „Zusammen mit ein paar Leuten geht alles leicht. Das ist es, was ihr vergessen habt.“ (Zeh, Über Menschen, 2021, 366)
Mich erinnerte dieses Buch mit diesen wunderbaren nachdenklich machenden Sätzen an ein anderes Buch, das ich vor vielen Jahren las und George Orwell geschrieben hat. „Der Weg nach Wigan Pier“. Auch dieses Buch enthält Sätze, die einfach so wie sie sind ein Volltreffer sind. Und auch dieses Buch erzählt von einem „Zusammen“, das nachdenklich macht.
„Zusammen mit ein paar Leuten geht alles leicht. Das ist es, was ihr vergessen habt.“ Ich glaube, dass wir nicht nur das vergessen haben, sondern noch viel mehr, was mit diesem „zusammen mit ein paar Leuten“ zusammenhängt. Die letzten Jahre haben uns noch mehr das „Zusammen“ vergessen lassen, so dass heute ein „Zusammen“ oftmals nicht einmal mehr in der Familie existiert.
„Ich“ ist groß. „Narzissmus“ ist groß. „Mein“ ist groß. „Mehr“ ist groß. „Das will ich nicht wissen“ ist groß. Wissen wollen wir nur, wann der Spritpreis sinkt. Für wen? Wissen wollen wir nur, wann können wir wieder in Urlaub fahren. Für wen? Wissen wollen wir nur, wann wir in den Geschäften wieder unbegrenzt einkaufen können. Für wen? Wissen wollen wir, wann unser neues Auto geliefert wird. Für wen? Wissen wollen wir, ….., mit der Frage: Für wen?
Wenn sie eine der Fragen nicht mit „für mich“, sondern „für uns alle“ beantwortet haben, ganz echt, dann meine ich: Sie sind kein hoffnungsloser Fall!
„Zusammen mit ein paar Leuten geht alles leicht. Das ist es, was ihr vergessen habt.“ Dieses Zusammen ist nicht reduziert auf eine Stadt, auf ein Bundesland, auf einen Staat, auf einen Kontinent, auf eine Welt.
Zusammen geht alles leicht, ist zu allererst übertragbar auf unseren eigenen Körper und Geist. Fügen sich alle Zellen und Gedanken, alle Bewegungen und körperlichen Aktivitäten zu einem Zusammen, dann sind wir weniger krank, leiden weniger, sind ausgeglichen und somit für ein „zusammen mit ein paar Leuten“ bereit.
Sind diese ersten grundständigen „Zusammens“ gestört, stört dies auch das „zusammen mit ein paar Leuten“. Die letzten zwei Jahre haben offengelegt, auf wessen Weg wir sind. Wir entfernen uns immer mehr von diesem „zusammen geht es leicht“. Ein jeder stapft vor sich hin, möglichst nicht rechts und links gucken, denn es könnte ja ein ansteckendes Virus um die Ecke kommen. Hilfe.
Auch ein schöner Satz von Juli Zeh: „Und ob ich etwas Besseres bin! Hundertmal besser als du!“ (Zeh, Über Menschen, 2021, 367) Dieser Satz wurde in den letzten Jahren häufig auf Menschen angewendet, die sich nicht haben „impfen“ lassen, die ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit ernst nahmen und nehmen. Bei den derzeit steigenden Krebsraten könnte man meinen, dass dies nicht unklug war. Die Zahl steigt nicht nur wegen eines nicht gemessenen „zusammen von ursprünglicher Erkrankung, Impfstoff und Covid-Erkrankung“, sondern auch weil „zusammen genommen“ weniger diagnostiziert und somit weniger therapiert wurde.
Hier sei dahingestellt, ob dies ein gesunder oder weiterhin krankmachender Weg ist. Ich persönlich habe in den letzten Jahren viele Freunde an Krebs verloren, trotz Diagnose und Behandlung. Manch einer von ihnen hat mehr gelitten als gelebt. Übrigens ein empfehlenswertes Buch „Und noch eine Runde auf dem Karussell“ von Tiziano Terzani.
Es gab eine Zeit, da wurden Menschen daheim gesund gepflegt oder solange daheim gepflegt bis sie die Augen zumachten. Irgendwie scheinen wir dieses „Zusammen“ auch immer weiter von uns wegzudrängen. Es gibt ja diese Einrichtungen, um deren einrichtungsbezogene Impfpflicht gerade nachgedacht wird, wie diese umgesetzt werden kann.
Merkwürdigerweise fällt niemandem auf, dass auch hier plötzlich kein „zusammen“ mehr existiert. Sondern die da, die müssen. Wir können wählen. Wir sind ja was Besseres.
Was ist heute für uns noch von Wert in diesem „Zusammen“? Wann stehen wir für ein „Zusammen“ auf? Für eine Ukraine, ja? Für ein Somalia, nein? Benefizveranstaltung für die Ukraine ja, für Somalia, Afghanistan, Kongo, Pakistan, nein? Wo beginnt unser „zusammen“ und wo endet es?
Eines steht fest, diese Erde und dieses Universum kennt nur Eines. Das ist Eins. Das ist schon immer „zusammen“. Wenn in Japan, in Russland, in Hawaii oder sonst wo ein Atomkraftwerk explodiert, so sind wir davon ebenso betroffen. Luft, Wasser, Erde sind ungetrennt. Sie sind zusammen wie die Wolken am Himmel, so wie die Flüsse und Ozeane der Meere, wie Pilzkulturen und Tierwelten, die unser Leben erst ermöglichen.
Wer von uns denkt darüber nach, dass wenn er sich in sein Auto setzt, auf ein „zusammen“ so stark zurückgreift, dass jede Bewegung des Autos in einer Unmöglichkeit enden würde, wenn es dieses „zusammen“ nicht gäbe. Material, Arbeitskraft, Straßenbau, Planungen, Rohstoffe, Arbeitende – abertausende von Händen, die es leichtgemacht haben, ein solches Gefährt fahren zu können. Wer von uns sagt Danke für dieses „zusammen“?
Stellen Sie sich einmal vor, alle Frauen täten sich zusammen, die unter 1500 Euro netto verdienen? Sie bekämen kein Brötchen mehr. Ihre Toilette auf der Arbeit würde nicht mehr geputzt. Die Pflege ihrer Eltern müssten sie selbst übernehmen. Keine Tankstelle würde bedient. Kein Krankenhaus mehr geputzt. Nicht einmal der Bundestag in Berlin.
Wenn alle Frauen der Welt sich zusammentäten, könnten wir ganz leicht, jeden Krieg beenden, weil wir weder unsere Söhne noch unsere Männer gehen lassen würden. Und gingen sie, so würden wir uns ihnen in den Weg stellen. Schießen sie ihre eigenen Frauen, Mütter und Kinder tot?
Wenn alle Landes-Väter und Landes-Mütter sich zusammentäten, könnten wir leicht, den Frieden auf der Welt herstellen und unsere Probleme wie Wasser, Nahrung, Bildung, Luft, Rohstoffe und Energie lösen.
Wenn wir alle Menschen bewegen könnten, sich nicht als etwas Besseres zu fühlen, sondern die Gleichheit aller Menschen anerkennen würden, dann gäbe es keine Bilder mehr in den Nachrichten von verhungernden Kinder in Afrika.
Wie können Menschen des so modernen und aufgeklärten 21. Jahrhunderts so etwas zulassen? Wie ist es möglich, dass das Geld für einen Panzer mehr zählt, als das Geld für die Selbstständigkeit eines Staates? Wie ist es möglich, dass Menschen, diese Barrieren hochziehen und ein „zusammen vergessen“, wo wir doch alle einfach Menschen sind?
Rainer Maria Rilke schrieb einmal und ich glaube, dass passt derzeit mehr als vorstellbar ist: „Ist es möglich, daß man Jahrtausende Zeit gehabt hat, zu schauen, nachzudenken und aufzuzeichnen, und daß man die Jahrtausende hat vergehen lassen wie eine Schulpause, in der man sein Butterbrot ißt und einen Apfel?
Ja, es ist möglich.
Ist es möglich, daß man trotz Erfindungen und Fortschritten, trotz Kultur, Religion und Weltweisheit an der Oberfläche des Lebens geblieben ist? Ist es möglich, daß man sogar diese Oberfläche, die doch immerhin etwas gewesen wäre, mit einem unglaublich langweiligen Stoff überzogen hat, so daß sie aussieht, wie die Salonmöbel in den Sommerferien?
Ja, es ist möglich.
Ist es möglich, daß die ganze Weltgeschichte mißverstanden worden ist? Ist es möglich, daß die Vergangenheit falsch ist, weil man immer von ihren Massen gesprochen hat, gerade, als ob man von einem Zusammenlauf vieler Menschen erzählte, statt von dem Einen zu sagen, um den sie herumstanden, weil er fremd war und starb?
Ja, es ist möglich.“
Rainer Maria Rilke
Ist es möglich, dass wir trotz unserer Wissenschaften, trotz unserer technischen Entwicklung, dass wir trotz unseres naturwissenschaftlichen Wissens, vergessen haben, was ein „zusammen leben“ auf ein und derselben Erde heißt?
Ist es möglich, dass die Entwicklung eines Panzers, eines Gewehres mehr zählt, als die Entwicklung von eigenständigen Lebensweisen in verschiedenen Zonen der Welt?
Ist es möglich, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert werden soll, wie hoch der Rüstungsetat ist, aber es immer noch kein Recht auf Wohnen, auf Bildung, auf Arbeit im Grundgesetz gibt?
Ist es möglich, dass die wirtschaftliche und politische Liga immer noch nicht verstanden haben, dass nicht das Geld uns alle zusammenhält, sondern das lebendige Leben eines jeden Menschen?
Ein ausgezeichnetes Zusammen erschien jetzt als Dokumentation in Arte:
Ein Elefant -eine Nuss – eine Karitébutter – Frauen – Schulgeld – Seife – Frankreich – so einfach! So deutlich!
Ist es möglich, dass ein jeder Mensch auf der Welt immer noch nicht begriffen hat, dass wir alle im selben Boot sitzen? Ein Boot, dass Erde heißt?
Wie können wir als die gegenwärtigen Menschen, diese Fragen in ein gutes zusammenhängendes Leben verwandeln? Was können wir als ein Jeder tun, dieses zusammenhängende Leben auf der Erde lebendig werden zu lassen, zum Wohle und zum Frieden aller?
Fangen wir an. Hier. Genau hier. Gemeinsam. Zusammen. Steht auf und fasst Euch an die Hände. Ihr wisst nicht, wie lange es noch Hände gibt, die ihr festhalten könnt. Ihr wisst nicht, wie lange es noch Hände gibt, die euer Leben möglich machen in diesem großen Zusammen?
Hier. Jetzt. Ist der Beginn für alles. Nicht warten. Denn wir wissen nicht, ob ein Morgen existiert! Das Gefühl des „zusammen geht es leicht“, „zusammen vergessen wir nicht so schnell, was einmal war“, „zusammen leben in einer ganzen Welt“ kann uns nur gelingen, wenn wir es tun!
Daher meine Bitte: Fangt an! Zusammen! Hand in Hand! Vergesst dieses Zusammen niemals, denn „Zusammen“ bedeutet „Wir alle“! Hier, genau Hier! Keiner von uns würde existieren können ohne einen anderen Menschen. Wir wären nicht einmal hier. Was also sollte uns hindern, die Hände, die Herzen, den Kopf, den Geist für alle zusammen offen zu halten? Was sollte uns hindern?
Sehr sehr berührend und einfach ganz toll zusammen gefasst!
Ich DANKE Dir sehr !!!
Gassho
Marco
Liebe Ellen,
deine Zeilen sprechen mir aus der Seele.
Vielen Dank dafür und liebe Grüße