Am 24. September 1987 hielt unser damaliger Außenminister Hand-Dietrich Genscher vor der 42. UN-Generalversammlung folgende Rede. Sie ist mehr als lesenswert. Sie wirft Fragen auf. Sie erinnert an etwas, dass er so nennt: „Wir dürfen nicht zulassen, daß der Traum, der alle Völker beflügelt, der Traum von der einen, gerechten, friedlichen und freien Welt, durch die technologische Entwicklung überholt wird.“
„Waffenexport jedenfalls löst dieses Problem nicht, im Gegenteil, er verschärft Spannungen und Kriegsgefahr, und er verschwendet Ressourcen, die für Werke des Friedens gebraucht werden.“
Schaut Euch diesen Artikel in Ruhe einmal an. Die Lesezeit ist gut investiert. Sie öffnet ein Tor, das oft heute vergessen wird. „Der Frieden beginnt in uns selbst.“
Dem stimme ich voll zu. Danke für diese Worte, die vor gut 40 Jahren ein Mensch sprach. Tatsächlich ein Politiker!
(Einfach auf das Bild oder den Namen klicken. Die Rede öffnet sich!)
Dieser Brief ging als Einschreiben am 7. Februar 2022 an Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Fraktionsvorsitzenden der Parteien des Bundestages, Ergänzungen an dieser Stelle sind kursiv. Bilder sind hier Ergänzungen.
In diesem zweiten offenen Brief möchte ich noch einmal eine bürgerliche Stimme in diesem unserem Land der Bundesrepublik Deutschland, meine Stimme, zu Wort kommen lassen.
Das Erste. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass ich stolz bin, in diesem Land geboren zu sein und die Chance hatte gesund und frei aufzuwachsen. Obwohl ich in einer einfachen Arbeiterfamilie der 60-er Jahre groß wurde, hatte ich verantwortliche Lehrer, die meine Begabungen sahen. Sie schickten mich auf die in den 70-er Jahren aus dem Boden hervorgehobenen Aufbau-Schulen im SPD-regierten NRW. Ich bin eine Nutznießerin dieser Bildungschance, ebenso mein erster Mann. So konnte ich nach einer Ausbildung zur Kinderkrankenschwester und fast 12-jährigen Berufstätigkeit ungehindert ein Kolleg besuchen und das Abitur nachmachen. Mit 32 Jahren begann ich das Lehrerstudium für Mathematik, Ökotrophologie und Pädagogik. Mit 38 Jahren stieg ich in diesem Beruf ein und wurde sogar noch Seminarleiterin für Mathematik. Eine theaterpädagogische Ausbildung bereicherte mich. Und nach einem Burn out im Lehrerberuf studierte ich Philosophie, die ich 2018 mit der Promotion abschloss. Dieses bewegte Leben ist nur in einem freiheitlichen Land möglich.
Dass für eine solche Potenzialität an den philosophischen Fakultäten in Deutschland nicht einmal für ein Wochenendseminar Geld da ist, zeigt, welchen Stand die Geisteswissenschaft im „ehemaligen“ Land der Dichter und Denker hat. MINT Schulen gedeihen. KLIPH existiert dagegen nicht. (KLIPH –Kunst (wozu auch Musik gehört), Literatur, Philosophie).
In KI Professuren wurde in den letzten Jahren investiert, auch im philosophischen Bereich wurde dies gefördert, aber der freie denkende Geist einer weltumspannenden Literatur und Philosophie stirbt immer mehr. Die Phänomenologie, mein philosophisches Gebiet, liegt im Sterben. Die Analyse, Sprachanalyse hat sich formiert. Alles muss beweisbar, überprüfbar, zählbar sein. Doch der Mensch ist nicht in Fakten, Daten messbar.
-Zwischenbilanz bei der Berufung von 100 zusätzlichen KI-Professuren:
„Für die Förderung der Kompetenzzentren für KI-Forschung stehen im Haushaltsjahr 2020 Ausgabenansätze in Höhe von rd. 23,7 Mio. Euro im Titel 3004/683 21 zur Verfügung.“
Wo bleibt der Geist, die Humanität, die menschliche Naturwissenschaft, Religiösität, Spiritualität, ….? Werden diese Wissenschaften auch mit Millionen gefördert?
Der Mensch ist ein unermessliches Wesen, dessen Vielfalt und Potenzialität kein Computer standhalten kann. Ein Mensch braucht für seine Funktionen keinen Strom, keinen Server, keine Wasserkühlung, keine Digitalisierung.
Ein Mensch kann aufstehen, gehen, essen und trinken, schlafen und denken, lieben und lebendig sein in allen Facetten des Lebens. Der Mensch ist grenzenlos. Eine Maschine wird immer abhängig sein von einem Konstrukteur und Software-Entwickler. Egal, wie viele Menschen an einer Super-Maschine Mensch arbeiten werden, es wird begrenzt sein. Und wenn diese Super-Maschine keinen Strom hat, ist ihr Wert gleich Null.
Der Mensch ist immer Wert. Egal wie groß oder klein. Daher ist jeder Mensch wichtig. Daher waren die 70-er Jahre mit den Aufbau-Schulen ein Gewinn für die Gesellschaft. Diese jungen Menschen von damals wurden steuerzahlenden Bürger, die Verantwortung übernahmen und trugen und bis heute tragen.
Die jetzige Situation verwehrt jungen Menschen den Zugang zu einer freiheitlich selbstbestimmten Entwicklung. Dadurch verliert das Land potenzielle Größen, die vielleicht unser aller Probleme (Ernährung, Bildung, Energie, Wasser, Ressourcen) lösen könnten. Die derzeitigen Bedingungen (geimpft, genesen, mit viel Glück getestet) verhindern dies. Arbeitgeber üben Zwang/Druck ist, obwohl es keine Pflicht gibt. Kinder werden wegen Ungeimpftheit vom Sport ausgeschlossen. Dabei gibt es erstens keine Pflicht und zweitens, was ist gegen Gesundheit einzuwenden? Eine Mutter stand vor mir und zeigte auf ihre erwachsene Tochter mit Trisomie 21. Sie sagte wortwörtlich: „Meine Tochter hat nichts mehr. Keine Musik. Kein Sport. Kein Chor. Kein Spieltag…Sie ist einfach nur gesund!“
Die Bundesregierung hat sich erlaubt einem Infektionsschutzgesetz das Recht auf Verordnungen zu geben, die täglich hin und her gehen wie ein Pendel. Unsere Basis unser aller Grundgesetz ist dabei einfach an die Seite gestellt worden.
Dies ist ein Widerspruch. Verordnungen ins Leben zu setzen, die etwas regeln sollen, z.B. Zugang zu öffentlichen Gebäuden, Umgang in Schulen, Krankenhäusern und Co, obwohl es dafür keine rechtliche Verpflichtung gibt, denn die Impfung ist „freiwillig“. Inwieweit das Handeln der Bundesregierung verfassungswidrig ist, wird derzeit geprüft. Und das ist gut so.
Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass außerdem die Bundesregierung massiv die Menschenrechte nicht nur hier in der Bundesrepublik verletzt, sondern sich auch weltweit an dessen Verletzung beteiligt ist. Hier sei nur Weniges von Vielem genannt, 100 000 mehr verhungernde Kinder durch die aktuelle Situation weltweit. Raubbau von Ressourcen, Müllverklappungen in Afrika und Meeren. Kriege unterstützen durch Rüstungsindustrie. Hier wird interessanterweise nicht danach gefragt, ob diese zu schließen sei und Tausende ihre Arbeit verlieren. Bei der prekären Arbeit von Putzfrauen, Kellnern, Verkäuferinnen von Theatern, Restaurants und Co fragt niemand nach diesen Menschen. Arbeitslosenunterstützung zu bekommen, schafft nicht Lebens-Sinn!
Ich verweise massiv auf Artikel 2 und Artikel 3 der Menschenrechte. Verbot der Diskriminierung und Recht auf Leben und Freiheit. Ich fühle mich seit dem letzten Jahr zum ersten Mal in meinem Leben diskriminiert und als Außenseiterin einer Gesellschaft, die mein Zuhause ist. In allen Zeiten von massiven Seuchen auf dieser Welt gab es gesunde Menschen. Warum und weshalb auch immer.
Statt sich die Frage zu stellen, wie konnte es geschehen, dass eine derartige Mutation die Erde besucht, wird nur Symptombehandlung betrieben. Kurzfristig. Lebensverneinend. Angriff auf freiheitliche Grundrechte. Kein wirklicher Lösungsansatz, wie z.B. Max von Pettenkofer es während der Cholera-Epidemie in München tat. Dies könnte für Sie Herr Bundeskanzler ein Vorbild sein. Sie, und damit spreche ich Sie als Mensch und Person an, sowie alle anderen Abgeordneten ebenfalls, denn die meisten hoben den Finger, haben vergessen, was die Menschen ganz unten tun. Sie machen Verordnungen, dass Geschäfte nur noch …, dass Restaurants nur noch…., dass öffentliche Bereiche wie Rathaus, Büchereiern nur noch…einlassen dürfen. Sie schließen und öffnen sie, wie es gerade gefällt, nach angeblichen Daten und Fakten, die unhinterfragt wiederum auf Zahlen und Fakten gründen, die wiederum unterhinterfragt für bare Münze genommen werden, stets mit dem Verlust des Bezugswertes, des Grundwertes, wie es in der Mathematik heißt.
In diesen Restaurants, Kleinkunstbühnen, Geschäften haben Menschen ihre Arbeit, ihr Brot, ihre Aufgabe und ihren Lebensunterhalt bestritten. Es waren oftmals prekäre Arbeitsverhältnisse. Doch jetzt? Wo sind diese jetzt? Arbeitslos? Hartz-IV-Empfänger? Die wohlbekannte Schere von Armut und Reichtum in der Bundesrepublik spreizt sich so noch mehr. Bedenken Sie dies mit allen Folgen und Konsequenzen, die dadurch entstehen können?
Die Last trägt die Allgemeinheit. Während große Unternehmen sich mit Kurzarbeitergeld füttern lassen und sich sanieren. Während große Unternehmensaktionäre sich an Dividenden-Ausschüttungen erfreuen. Während große Unternehmen ihre Mitarbeiter (z.B. Großraumbüros) auspressen. Die Folgen von Burn out und psychosomatischen Erkrankungen werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Von einer Bankenrettung möchte ich hier gar nicht reden.
Ich fordere Sie auf, das Infektionsschutzgesetz in seiner jetzigen Form sofort außer Kraft zu setzen und das Grundgesetz zu achten. Sie haben jederzeit die Möglichkeit, sich vor die Menschen zu stellen und zu sagen: wir haben unser Bestes getan. Es gibt nun auch zugelassene Medikamente für eine Corona-Infektion, ein nur bedingt zugelassener Impfstoff ist nicht mehr die einzige Lösungsalternative. Wir heben sämtliche Restriktionen auf und gehen in ein „soziales Leben“ von Menschen unter Menschen. Sie verlieren keinen Kopf, wenn Sie ehrlich zu sich und den Menschen sind. Jede Verordnung, die Sie und die Bundesregierung ohne Bundesrat herausgeben, entbehrt der Verhältnismäßigkeit der Mittel. (Verfassungswidrigkeit des Infektionsschutzgesetzes, Gewaltenteilung nicht mehr gewährleistet.)
Die erwarteten Todeszahlen sind 2020 nicht eingetreten und auch 2021 nicht. Wir sind ein Volk von ca. 82 Millionen Einwohner. Hätte es 10 Millionen dahingerafft, wäre sicherlich jede Form der Lösung akzeptiert worden. Doch erkrankte Menschen einfach in eine Quarantäne zu schicken und dann ohne ärztlichen Beistand zu lassen, wie es jetzt zuhauf passiert ist, ist sicherlich weder menschlich, noch medizinisch verantwortungsbewusstes Handeln. Sie als Regierung hätten z.B. im Ausruf eines Katastrophenfalls diese neue Situation meistern können. Sie hatten funktionierende Mittel in der Hand. Einst lehrte man mich während meiner Ausbildung als Kinderkrankenschwester, dass unser Land über einen der besten Katastrophenschutzpläne der Welt verfüge.
Auch hätten mobile Ärzteteams, die unterstützt worden wären von den Ärzten und Sanitätern, Fahrern der Bundeswehr (hier könnte das GG geändert werden – dass ein interner medizinscher Einsatz erlaubt wird) die betroffene Kranken anfahren können. So hätten Kranke sich nicht allein gefühlt, hilflos den Symptomen der Krankheit ausgeliefert. Hier zeigte sich auch der Nachteil der vielen Single-Haushalte, denn wer besorgte die Fahrt zum Test-Center, den Einkauf, die unterstützenden Medikamente, Infusionen, die ärztlichen Bescheinigungen für den Arbeitgeber und Co. Diese Menschen haben, so wie mir berichtet wurde, teils mit Fieber lange vor Teststationen im Auto gesessen und darauf gewartet, dass sie drangenommen wurden. Sie standen vor geschlossenen Türen draußen in der Kälte vor den Arztpraxen. Kranken Menschen hören Sie zu!
Ich habe mich oft gefragt, wo ist der Eid des Hippokrates geblieben. Menschen wurden beschimpft, weil sie nicht geimpft waren, statt, dass sie behandelt wurden. Der Eid legt fest, dass jedem Menschen geholfen wird, egal, was er ist und hat. Wir tragen in unserer Gesellschaft Drogenabhängige, Alkoholabhängige, Freizeitunfälle, Kinderwünsche und vieles mehr mit. Wir fragen nicht, warum, wir bezahlen alle mit. Warum gibt es jetzt eine Ausnahme?
Wenn derzeit viele alten Menschen sterben, meine Mutter verstarb letztes Jahr mit 85 Jahren (nicht an Corona), eine Generation, die im letzten Weltkrieg Kinder waren, dann ist dies oftmals eine psychische Entscheidung, denn sie fragen sich, wofür noch weiterleben? Kaum noch Besuch. Masken. Keine Gruppen mehr. Kein Gesang. Keine Freude. Meine Mutter nannte es: Ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben ausgegrenzt.
Hat dieses derzeitige Handeln eine menschliche Grenze übertreten, die so schnell wie möglich rückgängig gemacht werden sollte?
Ich weiß nicht, ob Sie Raul Hilberg kennen. Ein Jude, der in Wien lebte und mit seinen Eltern rechtzeitig nach Amerika fliehen konnte. Seine Familie kam in Dachau und Auschwitz ums Leben. Dieser kleiner Junge wurde groß und studierte Politikwissenschaft. Seine Vergangenheit beschäftigte ihn. Er verfasste eine Arbeit, die übersetzt wurde bei uns mit dem Titel: Die Vernichtung der europäischen Juden.
Dieser Mann hat sich keine moralische Frage gestellt, sondern die Frage: Wie war es möglich, eine derartige Maschinerie ans Laufen zu bringen? Dabei stellte er ein System auf, dass genau das beschreibt, was jetzt gerade wieder stattgefunden hat, mit meiner Hoffnung auf Einsicht bei denkenden Politikern.
„Gesetz – Durchführungsverordnungen – Ministerielle oder örtliche Verordnungen und Regelungen – Öffentliche Bekanntmachungen im Gefolge von Gesetzen und Erlassen – Bekanntmachungen durch lokale Beamte – schriftliche nicht veröffentlichte Richtlinien – mündliche Direktiven und Vollmachten!“
Ein bürokratischer Apparat. Alles ganz legal. Mit welchen Folgen?
Es geht nicht um die Oberfläche. Die kann heißen Faschismus, Fundamentalismus, Fanatismus, röm.kath.-evang. Irland, Pakistan/Indien, Israel/Palästina, auch Covid-Infektion….
Die Ordnung, die unterschwellig undemokratische Gefahren birgt, ist das Risiko. Hier den Blick offen zu halten und sich nicht vom Grundgesetz als Basis einer Bevölkerung, sich nicht von den Menschenrechten zu entfernen, ist die Aufgabe einer vollwertigen dem sozialen Wesen Mensch verpflichtende Aufgabe, der Sie und alle an der Regierung Beteiligten verpflichtet sind. Sie sind nicht nur Teil dieser Bevölkerung. Sie sind Menschen!
Damit Sie den Bezug zur arbeitenden wirklichen Bevölkerung nicht verlieren, sollten Sie vielleicht heimlich durch die Straßen der Stadt ziehen, wie ein Bischof Nikolaus und ein Papst Johannes I, um den Stimmen zuzuhören.
Ich, persönlich, würde z.B. gerne diesen Brief öffentlich im Bundestag verlesen. Vielleicht noch mit einigen Ergänzungen mündlich gewürzt. Vielleicht sollten Sie eine öffentliche Sprechstunde im Bundestag einführen – eine Art Rederecht im Bundestag für Bürger des Landes?
Alternativen gibt es immer. Potenziale sind unbegrenzt im menschlichen Sein vorhanden. Bildung und Forschung zu stützen. Stattdessen wird die dreifache Menge der Steuergelder nicht für Bildungsausgaben, sondern für Verteidigung ausgegeben. Ist dies nicht eine Missachtung der menschlichen Größe? Ein selbstfahrendes Auto wird nicht entwickelt für eine Bevölkerung. Ein Elektro-Auto ist keine Antwort. Digitalisierung ist kein Lebensziel. Das wissen Sie.
Das höchste Potenzial, was uns allen Menschen weltweit zur Verfügung steht, ist unser Menschlich-Sein selbst. Hier finden sich Lösungen, Alternativen, Potenziale. Und ich möchte mit Hans-Peter-Dürr enden:
Im Rahmen des Grundgesetzes fordere ich Sie und die Bundesregierung auf, eine individuelle Impfentscheidung zu tragen. Für eine Impfpflicht ist die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. Das wissen Sie. Sogar nicht nur intuitiv!
Seien Sie doch einmal ganz ehrlich, wann und wie lange haben Sie schon einmal wirklich darüber nachgedacht, was das Wir ist? In einem Wir schreibt das deutsche Wortherkunftslexikon DWDS ist immer ein ich selbst eingeschlossen. Das heißt, dieses wir setzt sich zusammen aus anderen einschließlich meiner selbst. Ich gehöre zu einem Wir dazu. Es ist ein „unser-eins“.
Eine Cousine meines ehemaligen Mannes ist große Verfechterin gegen die Schlachttierhaltung und entschied sich Veganerin zu sein. Gestern Abend begegnete ich interessanterweise genau dieser Thematik in einem Buch von J.M. Coetzee. Sie hat eine Romanfigur erfunden, die den Namen Elizabeth Costello hat. Diese ist Romanautorin. Eine alte Dame, die, wie es auf dem Klappentext so wunderbar heißt, „in ihrem intellektuellen Nomadentum als leidenschaftliche Kulturkritikerin zwischen Provokation und Ratlosigkeit“ für eine ganze Menschlichkeit steht. Hört sich fast nach mir an!
Was gehört dazu eine ganze Menschlichkeit zu umfassen? Sind das nicht auch die Tiere, die wir großziehen, um sie aufzuessen? Sind das nicht die Tiere, deren Innereien und vieles mehr verarbeitet wird zu Hundefutter, Seife und Co? Doch, ist das die gesamte Welt eines Wir?
Haben Sie sich schon einmal beim Anblick eines Sandwiches beim Metzger oder Bäcker gefragt: Wieviel Wir steckt in diesem Sandwich? Oder haben Sie sich schon einmal gefragt, wenn sie im Supermarkt einkaufen gehen, wie viel Wir sehe ich hier gerade? Oder wie ist, wenn sie ein Auto kaufen? Sie können jede Situation unseres Lebens nehmen und sich diese kleine einfache Frage stellen: Wie viel Wir ist gerade hier? Denn interessanterweise stecken sie wirklich in diesem „unser-eins“ mittendrin. Denn sie kaufen den Joghurt. Denn sie essen das Sandwich, trinken den Kaffee, bestellen das Auto, benutzen das Handy.
Wenn sie dies immer wieder einmal tun, entdecken sie die Größe eines Wirs, das sie vermutlich irritieren wird, den irgendwie ist es überall da. Doch in unserem alltäglichen Leben werden wir beständig ermahnt nicht das Wir zu sehen, sondern das Ich.
Welches Parfüm ist für sie das Richtige? Welches Auto passt zu ihnen? Welche Farbe sollte die Haustür ihres Eigenheims haben? Welche Pullover-farbe trifft ihren Teint so, dass sie gut aussehen? Welcher Joghurt ist für sie genau der Richtige? Welche Internetseite ist für sie die Passende?
Sie können dieses Hervorheben eines „angeblichen Individuums“ überall sehen, ohne dass sie bemerken, dass gerade dadurch ihre Individualität verloren geht. Denn alle mit blonden Locken erhalten die Empfehlung hellblauen Lidschatten zu verwenden. Denn überall auf der Welt kommt man mit einer Jeans und schickem Jackett gut an. Denn das neue Smartphone in ihrer Lieblingsfarbe unterstützt ihr individuelles Sein. Bei all dem wird ein Ich gekitzelt.
Dieses ins Blickfeld gehobene individuelle Persönlichkeitsbild geht so weit wie es Harald Welzer in seinem Buch „Die smarte Diktatur“, der Angriff auf unsere Freiheit, gut beschreibt. „Der soziale Raum, der ich nur noch selber bin. … Die Basis für die personalisierten Angebote, die sie bekommen, sind Sie ja selbst – abgelesen und berechnet nach Ihrem Sozialverhalten, Ihrem Informationssuchtverhalten, Ihrem Konsumverhalten. Sie sind die Laborratte, die die Daten liefert, mit deren Hilfe Sie manipuliert werden. Nein, sagen wir besser: gesteuert werden. …Worum es in Wahrheit geht, ist etwas anderes: nämlich die Konstruktion eines anderen sozialen Raumes, in dem Sie so platziert werden, wie es für die am besten ist, die Ihnen etwas verkaufen wollen, ein Produkt oder eine Überzeugung. Oder eine Überzeugung als Produkt.“ (Siehe Impfung, die keine ist, ein Notfallmedikament, das nicht hält, was es versprach – eine Überzeugung als Produkt = ein Produkt als Überzeugung – festgefahren – gefangen –Ausweg?)
Welzer beschreibt wunderbar wie dieses wirklich sichtbare Wir des täglichen Lebens, dieses „unser-eins“ versteckt wird und aus unserem Blickfeld verschwindet. Zum Vorschein kommt etwas, das sie auf keinen Fall sein wollen. Ein Jeder wie jeder andere auch! Be-rechen-bar. Ab-schätz-bar. Kauf-bar. Be-zahl-bar. Indivi-duell.
In Wirklichkeit sind Wir bemerkenswerter Weise genau das aber nicht!
Mir persönlich ist diese be-rechen-bare Welt zu klein. Es fehlt in ihr das, was ich Größe nenne. Eine Größe, die jeden Menschen, jedes Lebewesen auszeichnet. Als sich vor vielen Jahren mein Blick für die Welt als Ganzes hob, für eine „unser-eins“ vollständige Menschheit, für einen ganzen Kosmos, musste ich mich von etwas verabschieden.
Was das war? Ein langer Weg. Ja, und auch schmerzvoller Weg. Eine große Trauer. Ein Abschied in vielen Schritten. Doch, heute freue ich mich darüber, dass ich angstlos und vorwärtsgehend, diesen Abschied vollzog. Von welchem Abschied ich rede? Einige, die mich kennen, vermuten es sicherlich. Ich sage es hier dennoch in aller Deutlichkeit.
Die Arbeit beginnt hier, wo wir gerade stehen. Als Kind lernten wir auf die Frage: Wer bist du oder wie heißt du? zu antworten: Ellen. Jahre später, kam auf diese Fragen: Ich bin Ellen. Schließlich war es geschafft. Wer spricht da? Ich. Selbstverantwortlich. Erwachsen. Ich weiß, wo es lang geht. Wiederum Jahre später, beginnt dieses Erwachsen-Sein zu wackeln. Es ist nicht das Ich, das wirklich Ich ist. So beginnt die Suche. Und wiederum viele Jahre später, wenn das Ich endlich scheinbar aufgetaucht ist, beginnt das Abschied-nehmen. Und wiederum viele Jahre später, wenn du am Ball bleibst, gelingt dir der Abschied für immer und du begegnest zum ersten Mal diesem komischen seltsamen Wir.
Dies ist nicht, wie es gerade immer so schön heißt, solidarisch sein. Es ist kein Für-ein-ander-Eintreten, kein Verbunden-Sein, denn in diesem wirklich echten Wir würde bei einer Verbundenheit eine Trennung vorausgesetzt, die es nötig macht, sich zu verbinden. Bei einem Für-ein-ander-Eintreten ist sogar eine Art Hierarchie durchzuhören. Im juristischen Sinne steht solidarisch denn auch für gemeinsam berechtigt.
Doch in diesem echten Wir gibt es kein Recht und kein Gemeinsam, denn es ist bereits ein Wir als ein Wir, das gleichzeitig und das sei betont, gleichzeitig, in einem Mit-ein-ander, in einem Neben-ein-ander, in einem Über-ein-ander, in einem Unter-ein-ander, in einem Durch-ein-ander existiert. Eben ein „unser-eins“!
Wenn wir uns unsere Welt, unsere direkt Umgebung wirklich einmal genau ansehen, dann stellen wir fest, dass es tatsächlich nichts anderes gibt, als dieses Ein-Ander als ein Unser-eins. Wo wir dies ganz deutlich sehen können, ist bei einem Gang durch die Natur. Der Baum, das Gras, der Bach, die Kuh, der Regenwurm, der Mensch, der Hund, die Katze, das Heu, der Trecker usw. alles ist ein Ein-ander. Nirgendwo ist da eine Trennung, denn es ist in diesem Augenblick, in dem wir gucken, schon ein Gesamtwerk, ein großes Wir. Dieses große Wir ist jeder menschliche Körper. Dieses Wir bilden Organe, Knochen, Muskeln, Gewebe, Geist, Seele, Atome, Moleküle, Würmer, Viren, Bakterien, Pilze und und und… Ein Unser-eins!
In dem Buch von Merlin Sheldrake, Verwobenes Leben findet sich dies besonders deutlich an der Stelle, wo er schreibt, dass das Pilzgeflecht unter nur einem einzigen Fußabdruck von uns, so groß ist wie ein Fußballplatz mit all dem Leben über, in, durch, mit, unter ihm. Ein Wir.
Mit welch einer Begründung sollten wir daher immer wieder in eine Trennung von etwas gehen? Wir können die Trennung nicht aufrechterhalten, denn unsere Körperlichkeit weist tagtäglich Sekunde um Sekunde auf ein „Unser-eins“ hin.
Mit welcher Begründung sollten wir uns also nicht einmal intensiv ge-pflegt und wirklich Ein-satz-bereit für dieses große Wir einsetzen?
Ein Wir, von dem ein Stephan Mögle-Stadel spricht? Ein Wir, von dem ein Buddha, ein Jesus Christus, ein Al Halladsch, ein Mahatma Ghanda, ein Martin Luther King, ein Humboldt sprechen. Sie alle ver-weise-n auf dasselbe große Wir.
Wenn wir uns das Schaubild der Organisation des Bundeskanzleramtes anschauen, dann stellen wir fest, dass wir seit zwei Jahren nur mit der Gruppe 31, Referat 312 zu tun haben. Kommen bei Ihnen dann keine Fragen hoch? Bei mir schon! Was läuft im wirtschaftlichen Bereich, im Kommunikationsbereich, im Rüstungsgeschehen, in der Außenpolitik, in der Umweltpolitik usw.? Ich könnte hier alles aufführen, denn jedes bleibt als Frage einer nicht gelebten Transparenz im Raum. Fehlt Ihnen nichts? Mir schon.
Als ich 2019 mehrfach einen großen Vortrag über KI hielt, für den ich ein Jahr recherchierte, erinnere ich mich an ein Gespräch der damaligen Bundeskanzlerin Merkel mit der Computergestalt Sophia. Merkel betont Worte: Wir müssen kämpfen… Ich will keine Datensteuer. …Recht der Roboter auf Stromzufuhr und Wartung?…“
Bis 2030 soll das Bruttoinlandsprodukt mit KI um 11,3%, 430 Milliarden Euro gesteigert werden, notierte ich damals. Wie sieht es heute aus? Wo liegt in diesem Bereich die Gewinnsteigerung, während bayernkreativ aktuell berichtet, dass im Bereich der darstellenden Kunst ein Rückgang von über 80 Prozent zu verzeichnen ist. Das bedeutet, es gibt sie fast nicht mehr. Wovon leben diese Menschen jetzt?
Wenn wir uns jetzt derzeit aktuell unsere Welt ansehen, dann können wir sagen, die Wirtschaft und die Politik haben es geschafft, uns digital und Co schmackhaft zu machen. Home-office. Zoom-Konferenzen. Bestellungen per Klick im Internet. Streamen von Filmen, Musik und Co. Virtuelle Hausaufgaben für Schulkinder. Virtueller Unterricht für Schüler und Studenten. Vorträge via Video-Konferenz. Willkommen in der neuen Welt. Und damit niemand mehr in das wirkliche soziale Feld geht, heißt es, halten sie social distancing, impfen sie sich, bleiben sie daheim, gehen und fahren sie möglichst nirgendwohin.
Willkommen. Denn was wächst hier? Hier wächst kein wirkliches Wir, sondern hier wächst ein „unsoziales Wesen“, das nicht einmal mehr ein Ich ist. Eine These-ja, aber wirklich gefühlt. Denn Kinderaugen zeigen es. Denn Bilanzen von Energie (Wasser, Strom) be-zeuge-n es. Denn der Hunger nach Ressourcen be-legt es.
Daher lassen sie uns als ein Wir aufwachen, wach sein für eine Welt, die Wir wirklich wollen? Wollen sie wirklich von einem Roboter im Alter gefüttert werden? Wollen sie wirklich, dass ein Roboter beim Sterben ihre Hand hält? Wollen sie wirklich, dass in Zukunft, virtuelle Lehrer ihre Kinder/Enkelkinder lehren? Wollen sie wirklich für einen Handy-Tipp den langsam entstehenden freien Frieden aufs Spiel setzen? Wollen sie wirklich, dass noch mehr Kinder weltweit verhungern?
Bitte lassen Sie uns als ein Wir, als ein „Unser-eins“ in eine Welt gehen, für die es sich lohnt hier zu sein, lebendig zu sein, wo Menschen sich mit-ein-ander für-ein-ander neben-ein-ander durch-ein-ander in einem „Unser-eins“ in einem freiheitlichem friedlichen WIR treffen können. Ein Raum, in dem jeder Mensch jedem Wesen in die Augen schauen kann, ohne in seinen tiefsten Tiefen daran erinnert zu werden, dass er genau dieses Wesen, diesem Menschen die Lebensgrundlage entzogen hat. Denn das tut ein be-rechen-bares, ein-schätz-bares, be-zahl-bares Ich. Lassen Sie sich nicht über-zeugen, werden Sie nicht Zeuge eines großen Ver-brechen-s/eines Bruchs an und in der Menschlichkeit. Seien Sie Zeuge der großen wertvollen Menschlichkeit, denn Menschlichkeit ist ein-zig-art-ig – eine Art – ein „Unser-eins“.
Ein Grashalm
Ein Baum
Ein Kind
Ein Tier
Ein Mensch
Ein Wurm
Ein Virus
Sehen Sie hin – das wunderbar große WIR! Es zu be-hüten, lohnt sich, denn es ist dieselbe ein-zi-art-ige Leben-digkeit!
Irgendwie begegnete mir in der letzten Zeit immer wieder das Wort „Wohlstandsgesellschaft“.
Gerade jetzt in einer Zeit, in der eine Angst vor der Pandemie Wache hält, fällt vielen Menschen hier gar nicht auf, was es bedeutet in einer Wohlstandsgesellschaft zu leben und welche Auswirkungen unser aller Tun auf nicht wohl stehende Gesellschaften hat. Was heißt eigentlich „Wohlstandsgesellschaft“?
In meiner Kindheit, ich bin jetzt 60 Jahre alt, wurde ich im Ruhrpott groß. Meine Mutter wohnte mit uns drei Kindern (mein Vater verstarb früh) in einer Wohnung, die keine Zentralheizung kannte und auch keine angeschlossene Kanalisation. Unsere Toilette war ein Plumpsklo in der Nähe des Gartens. Im sogenannten Badezimmer gab es ein Waschbecken mit kaltem Wasser. Die Badewanne hatte einen Heizkessel, der mit Holz, bei uns in der Regel mit Kohle beheizt werden musste, um baden gehen zu können.
Dies ist gerade 60 Jahre her. In diesen 60 Jahren hat sich unsere Welt mehr verändert als je zuvor. Wir haben eine Welt geschaffen, die fiktional aus Zahlenfolgen besteht. Die Heizung wird programmiert. Das Auto wird programmiert. Die Hörgeräte werden programmiert. Der Arbeitstakt wird durch Controlling programmiert. Überall definieren Zahlen unsere Welt.
In meiner Kindheit gab es nicht einmal ein Telefon im Haus. Erst als ich 12 Jahre alt war, also Mitte der 70-er Jahre erhielten wir ein eigenes Telefon. Bis dahin mussten wir in eine Telefonzelle gehen, wenn wir anrufen wollten. Interessanterweise wollte das keiner. Es wurde wirklich nur im Notfall benutzt. Wenn wir Oma und Opa besuchen wollten in Düsseldorf wurde kurz von der Telefonzelle durchgeläutet oder schnell eine Karte geschrieben. Es gab keine O/1 – Folgen. Die Maschinen waren analog gesteuert, d.h. es konnten unendlich viele verschiedene Wertigkeiten entstehen. In der digitalen Welt entstehen sogenannte Teilmengen. Die Ausgangsmenge wird reduziert, auf dass, was wirklich gebraucht wird. Dabei entsteht jedoch immer die Frage: Wer oder was entscheidet, was gebraucht und was nicht gebraucht wird?
Wir bekamen ein Fernsehen ebenfalls Mitte der 70-Jahre. Ich verbrachte also eine Kindheit ohne beständige Erreichbarkeit, ohne „die Sendung mit der Maus, ohne Krümmelmonster, ohne Logo“. War dies eine einfache Kindheit oder eine schwere Kindheit? Was haben wir bloß den ganzen Tag gemacht? Was machten wir, wenn wir aus der Schule kamen? Wie verabredeten wir uns ohne Telefon? Wie ging das überhaupt?
Heute in unserer jetzt über die Jahre erarbeiteten „Wohl-stands-gesellschaft“ können sich die nachfolgenden Generationen gar nicht mehr vorstellen, kein Badezimmer, und sei es auch noch so klein, zur Verfügung zu haben. Die ganze Pandemie hätte anders gelöst werden müssen, wenn es die digitale Welt nicht gäbe. Wäre es nicht einmal ein Gedankenspiel wert, sich vorzustellen, wie eine Schule, eine Arbeitswelt, eine Lebenswelt sich gestaltet ohne digitale Welt? Was könnten wir von dieser Idee lernen und mitnehmen als einen möglichen alternativen Lösungsansatz für derartige Problemfelder?
Die „wohl stehende Gesellschaft“ steht für eine Gesellschaft, die es geschafft hat, einer Gesellschaft, der es gut geht, einer Gesellschaft, die es möglichst jedem ermöglicht, sein Leben in Freiheit zu leben. So scheint es uns zu sein. Doch, dieser Begriff „wohl stehende Gesellschaft“ kann auch anders aufgefasst werden. Ein Computer kann dies nicht lesen. Er liest immer dasselbe. Wohl stehende Gesellschaft. Doch, machen wir eine kleine Veränderung. Wir zeichnen es einmal so: die wohl stehende Gesellschaft? Hier schwingt eine Idee mit hinein, die sich fragt: Steht sie wirklich? Ist sie wirklich gut dastehend? Steht sie wirklich wohl? Es kommt so ein kleiner Zweifel mit hinein. Ist dies nicht ab und zu berechtigt?
Denn in dieser wohl stehenden Gesellschaft wird nicht hinterfragt, worauf sich dieser Wohlstand baut, wo er herkommt, was wir tun, damit es so ist? Doch, es kommt noch ein Fakt hinzu, der total vergessen, ausgeblendet wird.
Dazu eine Geschichte. Vor ca. drei Jahren standen morgens plötzlich drei Männer in meiner Haustür. Wir wohnten gerade zwei Jahre in Rödental in unserer alten Dame, so nenne ich liebevoll unser 110 Jahre altes Haus. Ich schaute sie fragend an. Der eine Mann kam von der Telekom und war so eine Art Abteilungsleiter. Der zweite Mann kam auch von der Telekom und war Techniker. Der dritte Mann war ein Nachbar, der vier Häuser weiter auf der anderen Straßenseite wohnte. Meine Frage logisch: Was ist los? Wie kann ich ihnen helfen? Der Telekom-Mann, der mir übrigens einen Ausweis zeigen konnte und einen Auftragsbeleg hinhielt, erklärte, dass in unserem Haus ein Verteiler für Kabel der Post wären. Wenn ich ihn und den Techniker nicht ins Haus ließ, könnte mein Nachbar keinen eigenen Internet-Anschluss erhalten. Begreifen Sie, was ich hier erzähle. Dies ist so geschehen. Und der Telekom-Mann sagte, dass es hier noch leicht wäre den Anschluss ausfindig zu machen. Es gäbe Regionen in Deutschland, da müssten sie lange suchen, bis sie den richtigen Verteiler finden würden. Ja, und dann gäbe es natürlich noch das Problem, das ich sie gar nicht ins Haus lassen müsste. So gäbe es auch etliche Klagen von Menschen, die jedoch auch gerne ihren eigenen Internet-Anschluss haben wollten.
Diese ganze Digitalisierungs-Welle vergisst das Fundament. Jetzt stellt sich die Frage: Wer vergisst wirklich das Fundament? Unsere Basis? Ist das Fundament nicht unsere Menschlichkeit? Ist das Mensch-Sein nicht das erste, was uns begegnet? Ist nicht das Mensch-Sein unser aller verbindendes Element? Wo ist es geblieben? Wer beachtet es noch? Wie steht der Mensch wohl in seiner eigenen Gesellschaft? Steht der Mensch wirklich wohl in seiner menschlichen Gesellschaft?
Herrmann von Keyserling, ein Philosoph und Autor war Gründer der Schule der Weisheit in Wiesbaden. Er schrieb das Buch „Wiedergeburt“. Vielleicht sollten wir uns genau an der Stelle, an der wir jetzt sind, genau fragen: Ist uns das Fundament unseres Daseins noch wichtig? Hat es noch einen Wert, der beachtet werden sollte? Ist uns als Mensch die Menschlichkeit wichtiger als anderes oder ist uns eine Technik, die unsere Welt in Teilmengen auflöst wichtiger?
Er schlägt uns also vor, ein lebendiges, ein „vitales“ als Lösung zu nehmen. Eine Aufgabe, die er sagt, die nur mit einem Geist zu lösen ist. Wo geht unser menschlicher Geist hin? Lassen wir ihn in den Tiefen von Zahlen untergehen? Vergessen wir unseren menschlichen Geist, der die Weisheit des ganzen Lebens bereits kennt? Wie können wir ihn wiederentdecken? Wie können wir ihn wiederbeleben, wieder neu gebären?
Wenn ich mit den ZenhoflerInnen Zazen praktiziere, tun wir genau dies. Wir entdecken unsern menschlichen eigenen Geist. Wir sehen die Hindernisse, die uns fernhalten vom menschlichen Geist. Wir erfahren, die „Vitalität“ des tiefen Lebens. Wir tun unbekannte Lösungen auf. Wir entdecken Zusammenhänge. Z.B. Die in der wohl stehenden Gesellschaft verteilten Masken produzieren Müll und verbrauchen Ressourcen. Irgendwo kommen sie her. Unsere Medizin-Produkte irgendwo kommen sie her. Was verbrauchen wir ohne zu fragen, was es bedeutet? Was passiert mit unserem Wohl-stands-gesellschafts-müll?
Wenn wir praktizieren, schauen wir uns unseren Müll an, wir sehen, wie wir unsere Ressourcen verschwenden und nicht achtsam mit unserem Körper und Geist umgehen. Wenn jeder Mensch auf der Welt, immerhin über 7,8 Milliarden Menschen und wenn es auch nur für einen einzigen Augenblick wäre, einen gemeinsamen Atemzug gleichzeitig tun, würde dies die Menschheit in einem menschlichen Geist spüren können.
Es ist schon lange eine Idee von mir. Es wäre eine logistische Meisterleistung. Tatsächlich alle Menschen auf der Welt nur für eine einzige Minute an das Schönste in ihrem Leben denken zu lassen. Können wir uns wirklich vorstellen, was das mit uns macht? Können wir uns wirklich vorstellen, wie die Menschheit diese Nähe spüren könnte?
Ich glaube nicht, doch würde ich es gerne einmal ausprobieren. Im Zendo, wenn der Geist für einen kurzen Augenblick diesen Ruhepunkt erreicht, wo alle, die da sind, irgendwie gleich schwingen, dann ist da eine so unglaubliche Ruhe. Ich denke, es täte uns allen gut, diese Ruhepunkte erfahrbar zu machen von klein auf für eine Welt voller Menschlichkeit.
Vor vielen Jahren begegnete mir bereits der Name Hans Peter Dürr. Viele Male dachte ich, du musst ihn lesen, Ellen. Jetzt war es soweit. Ich las sein Buch „Geist, Kosmos und Physik“, Gedanken über die Einheit des Lebens.
Es ist nicht nur zu empfehlen, sondern meiner Meinung nach, sollte es jeder gelesen haben, denn es ist ein überaus berührendes Buch der Menschlichkeit.
Gleich auf den ersten Seiten begegnet mir der Satz: „Macht bezieht ihre Stärke aus der Einfalt – durch Bündelung von Kräften und nicht deren Differenzierung.“
Es kribbelt in mir. Der Satz weht wie ein Sturm durch mich hindurch. Wir leben seit eineinhalb Jahren in einer Zeit, die ihre Stärke aus unserer aller Einfalt zieht. Wir sind zu Menschen geworden, die wie Herdentiere dressiert durch die Welt gehen, von Zahlen geleitet und geprägt, ohne Sinn(e) und Verstand. Wir haben uns zu einer einfältigen Masse degradieren lassen, aufgrund von Zahlen, die Fiktionen sind. Realistische Zahlen sind nicht vorhanden. Es gibt keine Statistik, die belegen kann, wie viele Menschen tatsächlich nur an diesem Virus verstorben sind. Es gibt keine Statistik, die belegen kann, wie viele Menschen tatsächlich ihr Leben verloren haben, weil wir ihnen das Essen und Trinken genommen haben durch ein einfältiges eigennütziges Verhalten als gäbe es niemanden anderen auf der Welt. (siehe auch den Beitrag „Biene Maja“ hier)
Wir produzieren Masken und Co, die dann als Müllberge in der Verbrennungsanlage laden, wenn wir Glück haben. Sie können aber auch mit dem Regen in die Abwasserkanäle gespült werden und gelangen dann als Partikel in den großen Kreislauf des Wassers. Fragten wir jetzt in Kläranlagen nach, wie viele Reste von Masken sie entdecken, wäre die Antwort sicher erschreckend. Seien wir mal ehrlich, eigentlich dürfte nicht eine einzige Maske dort landen, oder?
Masken, überall! Ist das menschlich? Noch mehr Unsichtbarkeit?
Dürr schreibt, dass die Macht ihre Stärke aus der Einfalt bezieht, aus der Bündelung dieser Kräfte, die Differenzierung meidet. Was passiert seit über eineinhalb Jahren? Wir haben unsere Differenzierung verloren. Vereinheitlichung in Distanzlernen und Online-Veranstaltungen, die ja irgendwie immer gleich ablaufen, finden statt.
Kultur, die Differenzierung schafft, ist zum Schweigen verurteilt. Gruppen-und Seminar-Tätigkeiten sind in Distanz-lernenden Veranstaltungen untergegangen. Online-Präsentationen und Veranstaltungen gaukeln uns vor, dass Wissenschaft, Kunst und Kultur noch immer lebendig ist. Aber ist sie das wirklich? Wo sind die menschlichen Aus-ein-ander-setzungen, die der Menschheit in all den Jahren das Wachsen und Reifens, das Lernen, Verstehen, Begreifen, Entdecken, Forschen, Erfinden und Lebendig-Sein ermöglicht hat? Ist nicht gerade die Differenzierung des Lebens die Kraft, die uns ermöglicht zu reifen? Die unbegrenzte Potenzialität eines einzigen Menschens?
Kann ein Kind wachsen ohne den anderen Menschen, der tatsächlich anders ist als es selbst? Kann ein Getreidekorn wachsen und uns Nahrung bringen ohne das Andere und den Anderen, was tatsächlich anders ist als es selbst? Kann ein Mensch wachsen ohne den anderen Menschen und ohne das andere wesenhafte Sein? Ist nicht gerade die Vielfalt des lebendigen Lebens das, was unser Menschsein so offen, so bunt, so stark zeichnet?
Eine Macht, die die Kräfte aufgrund von Einfalt bindet, vernichtet sich über kurz oder lang selbst. Die Geschichte zeigt mehr als genug Beispiele. „Leben ist auf Kooperation aufgebaut“, schreibt Dürr. Wenn es uns nicht gelingt im Nächsten, den wirklich Nächsten zu sehen, der, der mit mir Mensch ist, der, der das gleicht mit mir teilt, Lebendigkeit und Sterben, Freude und Schmerz, wenn wir nur noch darin gefangen sind, dass der Nächste eine potenzielle Gefahr ist, dann lassen wir uns die Fähigkeit des menschlichen Mensch-Seins nehmen, lassen uns reduzieren auf eine begrenzte Einfalt von O-1-Folgen, die so wunderbar sie sind, immer begrenzt sein werden im Raum der unendlich großen Menschlichkeit. Das menschliche Wesen ist Vielfalt, ist Differenzierung, ist Kooperation, ist Nachhaltigkeit von Beginn an.
Lassen wir uns in die Einfalt pressen, nehmen wir den Verlust der menschlichen Kooperation als Fähigkeit zu reifen hin, lassen wir uns unsere „emotionale und geistige Potenzialität“ (Dürr, 55) nehmen und verhindern so nachhaltiges Werden und Sein, dann verletzen wir das Paradigma des Lebendigen, wie Dürr schreibt. „Wir sind dann nicht mehr Zweige des Lebendigen, sondern des Toten, weil wir das Prinzip der Kooperation missachtet haben.“(Dürr, 130) Wir tun dann genau das, was wir nicht wollen: Sterben!
In den vielen Jahren seit dem zweiten Weltkrieg, in den vielen Jahren des Wirtschaftswachstums, haben wir die Kooperation mit anderen Völkern der Erde vernachlässigt, wir haben ihre Bodenschätze ausgebeutet und tun dies für ein Computerzeitalter mehr denn ja. In den vielen Jahren des Entstehens einer Wohlstandsgesellschaft haben wir schon viele Kooperationen verloren. Die Kooperation mit dem Leben der Regenwälder, mit Tierwelten, die ausgestorben sind, mit dem Weltall, denn ist zu nutzen als Satelliten-Welt gibt und dabei vergessen wir, was es wirklich ist. Wir verloren die Kooperation zu den indigenen Völkern (z.B. Kogis, Eskimos, Indianer, Aborigines, usw.).
Völker, die uns lehren können, was Kooperation leben bedeutet. Wir sind jetzt jedoch so weit gegangen, dass wir Grenzen von Mensch zu Mensch aufbauten. Familien besuchen sich nicht mehr. Freunde verlieren sich. Gemeinschaften wir Sport-, Musik- und andere Vereine können ihre Gemeinsamkeit, ihr lebendiges Prinzip der Kooperation nicht lebendig halten.
Was tun wir hier? Ich frage mich, warum die Menschen dies alles so bereitwillig hinnehmen? Was hindert sie daran für die menschliche Menschheit aufzustehen? Was bewirkt die Angst vor dem Tod? Was fürchten die Menschen wirklich? Haben wir uns so weit von uns selbst entfernt, dass wir nicht mehr wissen, dass Leben und Tod die zwei Medaillen des Lebendigen sind?
Ohne Tod kein Leben. Ohne Leben keinen Tod. Interessanterweise hat Jesus Christus dies besonders schön gesagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein.“ (Joh, 12,16-12-47)
Was bewegt Menschen sich von Menschen zu trennen, trennen zu lassen, obwohl doch wir Menschen nur menschlich sind, wenn wir gemeinsam etwas tun, wenn wir gemeinsam handeln, wenn wir gemeinsam leben und Leben und Sterben zulassen, ohne meinen wir wären die Herrgötter, die über Leben und Tod entscheiden könnten? Ist das nicht sogar ein Gebot? Was tun wir jedoch? Wir entfernen uns von der Kooperation. Wir entfernen uns von Menschlichkeit? Wir entfernen uns von der Vielfalt und unserer vielfältigen differenzierten Potenzialität. Was tun wir hier?
Sollten wir uns nicht wieder unserem kooperativen menschlichen Sein zuwenden? Dürr schreibt von seinem Optimismus für die Menschheit. Er benennt sie folgendermaßen: „Die Wenigen, die heute deutlich erkennen, dass wir aufgrund einer relativ kleinen, politisch mächtigen Minderheit uns auf einem gefährlichen Pfad der Selbstvernichtung befinden, diese Wenigen müssen nicht sechseinhalb Milliarden Menschen überzeugen, welchen Weg wir alle dringend einschlagen müssen, um die große Katastrophe zu verhindern, sondern es wird nötig sein, alle Menschen daran zu erinnern, was sie intuitiv eigentlich schon alle wissen: Den Grundprinzipien des Lebendigen zu folgen, die in den vergangenen dreieinhalb Milliarden Jahren die faszinierende, unbeschreiblich wunderbare Evolution des Lebens auf unserer Erde, uns als Menschen eingeschlossen, ermöglicht hat.“
Erinnern wir uns an unser Mensch-Sein. Seien wir wieder menschlich. Wir gehören zusammen. Familien, Freunde, Kollegen, Völker. Wir sind gemeinsam Mensch. Lasst uns bitte aufhören, Trennung vorzunehmen, die einfach unmenschlich ist.
„Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach, als ein Wald, der wächst.“, so formuliert Dürr eine tibetische Weisheit. Lernen wir wieder dem Wachsen des Waldes zuzuhören, statt dem Krachen des Baumes zuzuschauen! Üben wir wieder, „was eine Millionen mal längere Geschichte uns an Differenzierung und kooperative Integration erfolgreich gelehrt hat“! (Dürr, 140)
Nehmen wir unser Mensch-Sein wieder selber in die Hand, mit allen Wenns-und aber. Bitte lasst uns wieder „Mensch- sein“, weil „Mensch-sein“ ist ein Geschenk, eine Gnade, eine Freude, eine Schönheit. Es ist die Potenzialität eines lebendigen Lebens.
Ich freue mich darauf, mit Euch mein Mensch-Sein lebendig sein zu lassen, ob im Zenhof Rödental e.V., bei den Elan-Frauen in Coburg oder hier mit diesen Zeilen, die so hoffe ich, die Herzen wieder für die Menschlichkeit öffnen, denn es lohnt sich, sagt Dürr.
„Wir brauchen den Mut, das, was wir als Menschen verkorkst haben, auch als Menschen wieder in Ordnung bringen zu können.“
In der Meditation tun wir dies immer wieder neu. Wir bringen den Mut auf, uns niederzusetzen, zu schweigen, bewegungslos dem Wachsen des eigenen Waldes zuzuschauen. Wir bringen unser Chaos in eine Ordnung, deren Verkorkstheit sich auflösen darf und kann.
In diesem Sinne, steht auf als Menschen, geht als Menschen, liebt als Menschen, begreift als Menschen, fühlt euch als Menschen und entdeckt die wunderbare Welt der Vielfalt, die jeder Macht zuwiderläuft, weil sie diese nicht bündeln kann. Steht auf und lebt die bunte Vielfalt einer bunten Blumenwiese, die Insekten anzieht, Leben spendet und mit dem Vergehen neues Leben ermöglicht.
Als wir jetzt über Ostern eine Schweige-und Meditationswoche abhielten, kam mir ein Satz:
Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Dinge sind dabei nicht nur sächlich gemeint, sondern wie der Japaner mit dem Wort „mono“ sagt, einfach alles, was es im ganzen Kosmos gibt.
Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Was bedeutet das? Jeder Mensch tut etwas, auch wenn er nichts tut, tut er etwas, nämlich dieses „scheinbar“ Nichts. Doch, wenn wir ganz ehrlich zu uns selbst sind, gibt es keinen Menschen, der nicht irgendetwas tut. Das Tun sind so einfach Dinge wie Trinken und Essen, zur Toilette gehen und sich waschen. Gehen wir von den basalen Bedürfnissen des Menschen weiter, müssen Menschen, die essen und trinken wollen, etwas tun, so dass sie dies können. Also gibt es Felder, die bestellt werden mit Gemüse, Hopfen, Getreide, Kartoffeln, Reis, Kaffee, Kakao. Die Menschen stellen Tiere auf die Felder und lassen sie Gras fressen oder halten sie in Herden und treiben sie über das Land, was immer weniger wird auf unserem Globus.
Wir verarbeiten diese geernteten Rohprodukte zu kauffertigen Produkten. Vor ca. 60 Jahren gab es noch das Butterfass und die Milchkanne. Heute gibt es den Tetrapack. Wir Menschen haben also Maschinen entwickelt, die die Rohstoffe verarbeiten, einpacken. Wir haben Maschinen entwickelt, die diese Produkte liefern können. Wir Menschen haben Geld als Tauschmittel entwickelt, um nicht wie teils noch vor 100 Jahren, selbst ein Produkt anbieten zu müssen, um ein anderes zu erhalten.
Wir Menschen sind also sehr erfindungsreich im Umgang mit den Dingen. Was auf dem wirtschaftlichen Markt funktioniert, funktioniert auch im sozialen Bereich. Wie sieht dies aus? Wir Menschen stellen mittels Verfahren fest, dass es „normale“ Menschen gibt und „nicht normale“ Menschen. Diese „nicht normalen“ Menschen nennen wir behindert, alt oder psychisch krank, seit Freud, die Medizin um die Krankheiten der Seele erweiterte. Dies führt dazu, dass wir Menschen nun auch hier Dinge erschaffen, die diesen Menschen helfen. Den stark pflegebedürftigen Menschen schenken wir Häuser, in denen sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gepflegt werden. Wir bauen Heime und Unterstützungssysteme auf. Um herauszufinden, was wir Menschen noch alles tun können, mit den Dingen/Menschen/Tieren/Pflanzen entwickelten sich Wissenschaften, die das erforschen.
Die Medizin lehrt uns den Umgang mit dem menschlichen Körper. Sie verspricht uns, ihn zu heilen. Während in den vorigen Jahrhunderten die meisten Menschen noch wussten, wie sie sich selber heilen können, haben sie nun dieses Tun abgegeben, ausgelagert. Heute sagen wir so schön „Outsourcing“. Die Biologie klärte über unsere Entstehung auf. Nun gibt es keinen Klapperstorch mehr oder den göttlichen Willen in der Fortpflanzung, sondern die Zellen übernehmen diese Funktion. Dabei lagerten wir Menschen die Zellen unseres Körpers ebenfalls aus und wir entdeckten, was wir alles damit machen können. Wir können klonen. Wir können mit den Zellen außerhalb unseres Körpers Wachstum erzeugen. Wir können mit Zellen ein Organ füttern.
Die Physik erreichte in der Quantenphysik eine Größe, die über die Zellebene hinausgeht. Sie betrachtet die atomare Welt. Dabei erkannte sie, dass es Prozess in den Atomen gibt, die mit Begriffen wie Unschärfe, Wahrscheinlichkeiten, Korrelationen usw. bezeichnet wurden. Synthetische Lebensmittel und Medizin, die Atombombe entstanden.
p(A)
=
Zahl der günstigen Fälle geteilt durch die Zahl der möglichen Fälle
Einfache Wahrscheinlichkeit berechnen.
Menschlichkeit ist also der Umgang mit den Dingen. Und wie dieser kurze Abriss einen nur winzigen Ausschnitt unseres menschlichen Tuns zeigt, erschaffen wir permanent Dinge, bauen sie um, bauen neu, erfinden, erforschen und entdecken immer wieder Neues. Was tut der Mensch hier eigentlich? Ist dieses permanente Tun eine Wirklichkeit oder ist es eine unendliche Wirklichkeit?
Gehen wir von dem einfachen Wort Wirklichkeit aus, so können wir sagen, dass in dem Substantiv Wirklichkeit das Tu-Wort oder Verb „wirken“ steckt. Auf der Tu-Ebene ist der Umgang des Menschen mit den Dingen also ein Wirken. Wirken steht für Arbeiten, Fertigen, Ausführen, Verrichten, Vollbringen. Wirken steht ab dem 16 Jhd. für die tatsächliche Existenz, für die Realität. Es steigt auf in das Tun als ein Handeln, ein Erschaffen als ein Schöpfungsakt. Es entsteht der Gedanke der Kreativität.
Dieses wirkliche Tun hat also immer etwas mit einer tatsächlichen Existenz eines tuenden Aktes zu tun. Wenn meine Finger hier über die Tastatur gleiten, ist der schöpferische Akt vielleicht diese Zeilen zu schreiben, aber der wirkliche Akt ist und bleibt die Berührung meiner Finger mit diesem Ding, dem wir den Namen Tastatur geben. Weiterhin Wirkliches ist an mir die Körperhaltung. Ich sitze auf einem Stuhl. Die beiden Füße berühren den Boden. Sie stehen flach auf. Meine Augen sehen etwas. Meine Ohren hören das feine Klicken der Tasten oder das leichte Brummen des Computers. Meine Zunge schmeckt vielleicht das zuletzt Gegessene oder Getrunkene. Mein Körper fühlt sich warm oder kalt an. Ich habe neben diesem, was ich da scheinbar auf der Bildfläche des Computers sehe, also noch wirkliche Existenz. Ich lebe.
Doch, was passiert da auf dem Computerbildschirm. Ich sehe etwas, das wir als Buchstaben bezeichnen. Buchstaben sind ein langwieriger kultureller Aspekt. Über tausende von Jahren entwickelten sie sich durch das Tun der Menschen, indem sie ihre Zungen bewegten, feststellten, dass wir noch mehr Laute hervorbringen können als Ah oder Oh oder Uh. Wir bildeten Sprachen aus. Menschlichkeit zeichnet sich durch den Umgang mit den Dingen aus, auch dem Umgang mit dem menschlichen Potenzial Körper. Die Stimme als ein Instrument, als ein Produkt unseres Tuns, das wir nutzen und benutzen können.
D.h. die Worte, die sie jetzt hier lesen, sind abertausende von Erfahrungen von Zungen-, Mund-, Nase- und Atmungsbewegungen. Eines menschlichen Tuns. Was passiert nun aber hinter dieser Oberfläche eines Computers? Hinter dieser Oberfläche ist eine Maschine, deren Kontakte auf Strom/Energie angewiesen sind. Diese Stromkontakte setzten sich in Schalteraktivitäten um, die „an“ oder „aus“ heißen. Seitdem die digitale Technik auf dem Vormarsch ist, gibt es nur noch diese beiden Schalterstellungen. Die analoge Technik, die noch Zwischentöne und Spannungen ermöglichte, verliert immer mehr den Boden. Was bedeutet das für den menschlichen Umgang mit den Dingen?
Wir reduzieren uns scheinbar selbst. Wir verkleinern unsere Welt der Dinge, auch wenn wir glauben, wir hätten über die Digitalisierung unsere Welt vergrößert, weil wir können nun jederzeit nachschauen, wieviel Uhr in Südamerika ist. Wir können nachlesen, wieviel Tote weltweit es an Covid 19 gibt. Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus beläuft sich aktuell auf mehr als 3 Millionen. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1103785/umfrage/mortalitaetsrate-des-coronavirus-nach-laendern/). Die Letalitätsrate zeigt das Verhältnis von Toten zu Infizierten an. Sie liegt derzeit weltweit bei 2,6 %. Wir lesen dies und halten dies für eine Wirklichkeit, wie die Buchstaben auf dem Bildschirm, die Bilder im Fernsehen oder die Monitoraufnahmen des Ultraschallbildes. Doch, was ist die Wirklichkeit wirklich? Ist sie so klein, dass sie in 0-1-Folgen gefasst werden kann? Jede Bibliothek der Welt gibt mehr Information als ein Netz aus 0-1-Folgen, das irgendjemand füttern muss. Jeder Mensch ist „uni-versell“, dass heißt alles, was möglich ist, spiegelt sich in ihm wieder. Was ist wirklich wirklich?
Doch, was geschieht hier mit uns? Wir gleiten in eine Welt der Wahrscheinlichkeit ab. Leise und unbemerkt verliert der Mensch seinen menschlichen Umgang mit den Dingen. Die Welt geht in Zahlen auf. Diese Zahlen beruhen auf Berechnungen, die auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung basieren. Wer sich ein wenig mit Mathematik auskennt, weiß, dass die Wahrscheinlichkeitsrechnung eine der merkwürdigsten mathematischen Größe ist, weil sie eben keine tatsächliche Existenz mehr beschreibt, sondern eben Angenommenes, eben Wahrscheinliches. Dabei wird uns Menschen erklärt, dass diese Wahrscheinlichkeiten der Realität sehr nah kommen. Doch, ist das wirklich so?
Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Wenn wir unsere menschliche Welt auf Wahrscheinlichkeiten aufbauen, was passiert dann mit dem menschlichen Umgang mit den Dingen, die den Menschen auszeichnen?
Eine Meditierende verlor letzte Woche ihre Mutter. Sie verstarb. Sie steht mir gegenüber und sagt, dass dieses letzte Jahr einfach nur unmenschlich war. Warum? Weil sie hätte eine Maske getragen, hätte gut 2 m von ihrer im Rollstuhl sitzenden Mutter gestanden, die noch hinter einer Scheibe saß. Kommunikation? Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen.
Wir produzieren in den letzten Monaten soviel Müll wie lange nicht. (https://www.br.de/nachrichten/bayern/volle-tonne-im-corona-lockdown-produzieren-wir-mehr-muell,SN8BL4L). Umwelt und Ökologie scheint in weite Ferne zu rücken. Ja, es fliegen weniger Flugzeuge, Autos fahren weniger, aber hier direkt vor unserer Haustür entstehen Berge von Müll durch Anlieferung von Dingen. Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Wo ist jetzt der Gedanke einer Greta Thunberg hier im direkten wirklichen Tun?
Der Knopfdruck am Computer. So leicht. So einfach. Ein solcher Knopfdruck verwandelt sich in eine Wirklichkeit, die zum Beispiel darin besteht, dass unsere Hände und unsere Körper Müll entsorgen müssen. Die scheinbare saubere Welt dieser Maschine löst sich auf in Bergen von Müll, die nicht mehr scheinbar oder wahrscheinlich sind, sondern ganz wirklich. So wirklich wie das Absterben der Bäume durch den Borkenkäfer im Sauerland oder das Abholzen des tropischen Regenwaldes für Fleisch und Obst für die Exportländer, die auch Deutschland heißen.
Die Welt der Wahrscheinlichkeit, die berechnet, dass so und so viele Menschen sich impfen lassen müssen, dann… Die Welt der Wahrscheinlichkeit, die mit Inzidenzen das Tun einer Politik begründen will, wobei die Inzidenz nichts Anderes ist als eine Zahl, die positive Tests auf 100 000 Einwohner angibt. Um diese Zahl nachweisen zu können, brauche wir Inzidenzen, also brauchen wir mehr Tests, also schaffen wir Regelungen, die uns Tests beschaffen und dann können wir wieder aufgrund dieser wahrscheinlichen Ergebnisse neu handeln. D.h. wir Menschen handeln schließlich nicht mehr nach wirklichem Geschehen, sondern befinden uns in einer Art „Fata morgana“, die alle Menschen für die wirkliche Welt halten, weil sie die wirkliche Welt nicht mehr kennen. Wo ist sie geblieben? Was ist die wirkliche Welt wirklich?
Die menschliche Berührung, die einen Säugling wachsen lässt. Das Anfassen eines Buches, einer Pflanze, eines Menschen verschwindet in den Tiefen von Wahrscheinlichkeiten, so dass das wirkliche lebendige Leben erlahmt. Wir Menschen bestimmen unsere eigene Menschlichkeit im Umgang mit den Dingen. Kinder, die keinerlei soziale Kontakte haben, die aus ihrem berührenden menschlichen Umfeld herausgerissen werden, entwickeln wie die Pädagogik und Psychologie erforscht hat, sog. Hospitalismus-Erscheinungen.
Wie äußern sich diese? „Verlangsamte Motorik, eine passive Grundstimmung bis hin zur Apathie, eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten, aber auch Störungen der Wahrnehmung und beim Lernen“ (Stangl, 2021).
Hier stellt sich die Frage: Was leben wir seit nun mehr als einem Jahr? Wo sind unsere emotionalen Bindungen zu unserer sozialen Welt? Wo sind unsere Reize, wie Theater, Konzerte, Kino und Gemeinschaft? Sind wir auf den Weg eine hospitale Gesellschaft zu erschaffen, die in ihrem Endstadium nur noch apathische Bürger und Bürgerinnen kennt?
Erschaffen wir eine Welt, in der die Wahrscheinlichkeit in Form von 0-1-Ketten die Realität bilden, obwohl erst das handelnde Tun den Menschen menschlich sein lässt? Menschlichkeit ist der Umgang mit den Dingen. Dieser ist so echt und wahrhaftig wie es kaum zu glauben ist. Menschlichkeit ist so bunt wie der Frühling. Er ist nicht schwarz weiß wie die Steinwelten in immer mehr Vorgärten uns vorgaukeln wollen, wo künstliche Schmetterlinge das wenige Grün zieren, während der wirkliche Schmetterling immer mehr verschwindet.
Wir sind die Menschen, die entscheiden, wie sie wirklich leben wollen. Lebendige Lebendige oder tote Lebendige? Wir Menschen sind „denkende Wesen“, so behaupten wir, dann sollten wir uns anstrengen, dieses Denken auch für die Welt und die Wirklichkeit einzusetzen, denn in einer wahrscheinlichen Welt verhungern und verdursten wir, weil niemand mehr das Gemüse pflanzt, niemand mehr die Maschine zum Ernten bedient, niemand mehr dafür sorgt, dass unser Trinkwasser sauber bleibt und dass unsere Fäkalien dorthin kommen, wo sie hingehören. Das ist Wirklichkeit. Das ist menschliches Wirken. Einen Computer, einen Mikrochip, eine Blockchain können wir nicht essen!
Wir Menschen sind menschlich im Umgang mit den Dingen. Schauen wir uns selbst bei unserem Tun zu und stellen uns die Frage im Angesicht des ganzen Geschehens von Welt: Ist das menschlich? Ist das sozial? Ist das pädagogisch? Ist das lebendig? Ist das emotional? Und die wichtigste Frage lautet: Was ist wirklich? Lasst uns immer wieder nach dieser Wirklichkeit schauen. Sie ist ein guter Leitfaden für ein lebendiges Leben.
Verwendete Literatur
Stangl, W. (2021). Stichwort: ‚Hospitalismus – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
In dem wunderbaren Buch „Der Weg der neun Welten“ von Eric Julien finde ich diesen Satz. Ich finde, dass dieser Satz so deutlich wiedergibt, was uns dieses Jahr gezeigt hat.
Die vertikale Welt verbindet Himmel und Erde, Leben und Tod, Geburt und Sterben, Nähe und Distanz, Zuwendung und Abwenden. Die horizontale Welt kennt lebendiges Treiben, Wachstum, Fortschritt, Vorwärts-Treiben, Stress, Zukunft, Ausgerichtet-Sein.
Die horizontale Welt hat vergessen, dass ihre Welt nur existiert, weil es Leben und Tod gibt, weil es Geburt und Sterben gibt. Die Angst, die Bedrohung durch einen Tod, der in Form eines Virus auftaucht, zeigt plötzlich, dass es da noch eine Welt gibt – diese merkwürde vertikale Welt, die Himmel und Erde verbindet, die Leben und Tod zu einer Einheit werden lässt.
Weihnachten ist die Geburt eines Kindes.
Jede Geburt ist ein Zeichen der absoluten Nähe der vertikalen und horizontalen Welt. Schauen wir hin, sehen wie deutlich, dass jedes Geboren-Sein ein Sterben-Sein beinhaltet. In unserer menschlichen Vorstellung scheint ein Raum dazwischen. Doch, wo ist die Grenze? Wer bestimmt sie? Wie sollte sie aussehen?
Die Menschen haben die Verbindung zu einer Einheit von Geboren-Sein und Sterben-Sein verloren. Es ist für sie fremd geworden. Wir haben in den letzten Jahren diese Perspektive wie viele andere „outgesourct“. Dieses Wort sagt mehr als es scheint. Ja, wir haben nicht nur wirtschaftliche Bereich ausgelagert, sondern auch gesellschaftliche Bereiche. Wir haben diese ausgelagerten Bereiche auf Inseln verfrachtet. Die Insel der Kinder das sind Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen, Tageseinrichtungen, Vereine. Die Insel der Alten sind Seniorenwohnanlagen. Die Insel der Behinderten sind beschützende Werkstätten und betreutes Wohnen. Die Insel der Sterbenden sind Hospize und Palliativstationen. Wir lagern unser Leben immer weiter aus. Wir halten nicht mehr zusammen, sondern wir trennen uns, lösen Verbindungen auf. Eric Julien beschreibt dies am Beispiel der Kogi-Indianer. Sie leben mit der Natur in der Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien. Sie leben die Verbundenheit von Geburt und Sterben. Sie haben die Verbindung von Himmel und Erde nicht gelöst, sondern weisen in ihrem Tun tagtäglich darauf hin, dass diese Verbindung der horizontalen und der vertikalen Welt eine gemeinsame Welt ist. Diese beiden Welten gehören zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille. Sie sind die beiden Welten, die auch tagtäglich in uns selbst, in jedem Menschen sprechen. Es ist der Geist und der Körper. Es ist der Körper und der Geist. Wie sollten wir sie trennen können? Was hindert uns ihre absolute Nähe zu begreifen?
Dieses Jahr hat uns deutlichst gezeigt, dass eine Trennung nicht fruchtet. Die Anzahl der Infizierten steigt. Warum steigt sie? Was passiert hier eigentlich wirklich? Ist es nicht so, dass wir einem gesunden Körper hinterherlaufen, obwohl ein gesunder Körper nur genau hier an dem Ort sein kann, wo ein Mensch ist? Ist es nicht so, dass jede Krankheit nicht dort draußen entsteht, sondern genau hier an diesem Ort, an dem wir als Mensch gerade stehen. Ja, es existiert ein unbekanntes Virus, aber haben wir uns schon einmal die Frage gestellt: Was mag das Virus? Was mag es nicht? Was hindert einen Baum am Virus zu erkranken? Oder hat er ihn längst und kennt seinen Wirkungsgrad und damit das Heilmittel des Eigenen?
Im Zeit-Magazin vom 10.12.2020 wird über die spanische Grippe vor genau 100 Jahren berichtet.
Menschen sterben. Menschen leben. Menschen sind traurig. Menschen sind glücklich. Menschen sind lebendige Wesen wie ein Baum, ein Tier, ein Stein, eine Pflanze oder ein Virus. Jedes Leben ist wertvoll. Jedes Leben zeigt uns etwas!
Jörg Burger fasst die wenigen historischen Belege in Zitaten und Gedanken zusammen. Auffallend in den Zeitzeugen-Berichten, ist die „relative Gelassenheit, mit der all diese Erinnerungen von der Spanischen Grippe berichtet wird“. Was bedeutet dies? Haben wir in den letzten Jahren durch die Verinselung und Outsourcing verlernt, uns mit der Allgegenwärtigkeit des Todes auseinanderzusetzen? Damals war gerade der erste Weltkrieg vorbei. Es gab keinen Haushalt, der nicht Tote zu betrauern hatte. Von den geborenen Kindern starben um 1900 noch jedes fünfte Kind. (Quelle: https://www.dhm.de/archiv/ausstellungen/lebensstationen/1_18.htm)
1930 starben von 500 Frauen 310 Frauen bei der Entbindung. Den Menschen waren Geburt und Sterben vertraut. Es gehörte zum Alltag. Es gehörte zum lebendigen menschlichen Sein.
Es gab kein Outsourcing. Erkrankte an der spanischen Grippe wurden in der Hauptsache daheim gepflegt. Die medizinische Versorgung bestand aus Lindenblütentee und Schwitzpackungen. Ein Arzt gesteht in den historischen Aussagen, dass er das einjährige schwer erkrankte Kind und dessen Vater, der vom Fieber abgezehrt nur noch aus Haut und Knochen bestand, aufgegeben hatte. Er nahm der Frau, die nicht erkrankte, jedoch die Hoffnung nicht. „Beide Kranken genasen“.
Hier zeigt sich noch ein anderer Aspekt. Vor 100 Jahren wurde nicht selbstverständlich davon ausgegangen, dass Kranke abgesondert werden. Es war selbstverständlich, dass die Pflege eines Kranken daheim stattfand.
Mich entzündet immer wieder die gleiche Frage: Wo ist unsere Menschlichkeit? Was macht unsere Menschlichkeit aus? Haben wir nicht nur wirtschaftliche und gesellschaftliche Dinge outgesourct, sondern auch das Menschliche? Wo ist es nun? Wo können wir es noch sehen?
Geld macht Menschen nicht glücklich, sagt der Volksmund.
Viktor Frankl stellt in seiner Logotherapie klar heraus, dass der Mensch einen Sinn braucht in seinem Leben. Sinn ensteht durch Tun. Wenn wir den Menschen ihr Tun nehmen, in Form ihres Arbeitsplatzes, dann geht der Sinn verloren. Nicht nur der abstrakte Sinn, sondern tatsächlich das Sinnen der Sinne reduziert sich. Sinnen und Nachdenken stehen im engen Kontakt. Die Pädagogik weiß um die Wichtigkeit von Bewegung für die Gehirnentwicklung. Bewegung bedeutet Sinnlichkeit. Sinnlichkeit bedeutet neuronale Netzwerke bauen. Neuronale Netzwerke sind Netzwerke, die wie ein Pilzgeflecht in der Natur Verbindungen herstellen. Verlieren wir unser Tun verlieren wir unsere Natur, die menschlich ist. Was hindert uns diese verbindenden Netzwerke der Sinne zu sehen? Warum glauben wir, dass nur noch das Netzwerk aus 0 und 1 einer Maschine, ein bestehendes Netz ist? Was ist mit den Netzen von 00001 und 1234556 und den abertausend anderen Arten von Netzen?
Die Natur hat in diesem Jahr mehr als deutlich gezeigt: Hier bin ich. Schaut her. Das ist Natur. Natur ist geboren werden und sterben. Natur ist Wandel und Veränderung, Augenblick für Augenblick. Wir können nichts festhalten. Nicht einmal Inzidenz-oder Fallzahlen. Alles unterliegt einem Wandel. Warum vertrauen wir uns nicht mehr? Warum vertrauen wir einer Technik, die Zahlen zählt, aber nicht die Menschlichkeit? Warum fordern wir digitale Welten, obwohl die direkte menschliche Welt greifbar vor unserer aller Nasen liegt? Warum wollen wir nicht sterben, obwohl wir alle wissen, dass dies unser aller Schicksal ist? Warum meinen wir die vertikale Welt missachten zu können, indem wir die horizontale Welt vertechnisieren und als die eine wirkliche Welt vorstellen?
Ich bitte Sie inständig, sich für die menschliche Nähe zu entscheiden. Ich bitte Sie inständig, sich für das menschlich sinnliche Tun zu entscheiden. Ich bitte Sie inständig, sich der Verbindung von Leben und Sterben klar zu sein.
Der junge Wissenschaftler Merlin Sheldrake
schreibt in seinem wunderbaren Buch „Verwobenes Leben“ über die Zusammenhänge von Pilzen und Lebensfähigkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen. Er zitiert die Anthropologinnen Natasha Myers und Carla Hustak. „Der Begriff „Evolution“ [fängt] …das Leben … nicht angemessen ein. … Für sie beschreibt der Begriff der Involution [einbeziehen] viel besser das verwobene Schieben und Ziehen von ˃ Organismen, die ständig neue Wege erfinden, um mit-und nebeneinander zu leben˂“.
Ist es nicht genau das, was wir gerade verweigern? Weigern wir nicht, anzuerkennen, dass eine neue Lebensform Teil eines Mit-uns-Sein lebt?
Sheldrake sagt mit diesen beiden Anthropologinnen: „Indem die Beteiligten sich zusammentun, überwinden sie ihre früheren Grenzen.“
Mit diesem Gedanken bedanke ich mich für das alte Jahr, dass mir deutlich menschliche Grenzen gezeigt hat, wo keine sein sollten. Mit diesem Gedanken freue ich mich auf das neue Jahr, indem sich die Beteiligten Virus und Mensch, Natur und Mensch, Ökonomie und Ökologie, Geburt und Sterben, vertikale und horizontale Welt zusammentun, um frühere Grenzen zu überwinden, um jeden Augenblick Geburt zu leben.
Lasst uns gemeinsam und jeder für sich, die eigenen Grenzen überwinden und im Zusammen-Sein die Stärken neu entdecken, die das menschliche Mensch-Sein ausmachen.