Die Gutmütigkeit der Erde – ein Vorbild

Als ich gestern auf einem schönen Herbstspaziergang durch die Sonne unter blauem Himmel ging, war da plötzlich diese Gutmütigkeit der Erde.

Ein Weinstock in trockner Umgebung.

Egal, was wir Menschen tun, egal, wie die Welt gerade aussieht, egal, welche Freuden oder welches Leid die Menschheit gerade trägt, die Erde ist stets gleich gutmütig zu uns.

Sie lässt den Grashalm wachsen, den die Kuh und die Schnecke frisst. Sie lässt das Getreidekorn wachsen. Wir haben Brot. Sie schenkt uns Regentropfen, der Flüsse und Bäche mit Süßwasser füllt. Sie lässt uns auf ihrer Festigkeit Häuser errichten. Sie schenkt uns Raum, Kinder groß zu ziehen. Sie lässt uns mit Sonnenstrahlen durchwärmen. Sie beschenkt uns mit Winden, die Felder und Früchte trocknen lassen für einen Winter.

Egal, wo wir auf unsere Erde schauen. Sie ist gutmütig. Selbst die größten Angreifungen, die der Mensch an ihr begeht, lässt sie gutmütig über sich ergehen. Wenn der Angriff vorbei ist, beginnt sie von Neuem aufzubauen, zu regenerieren, neu zu werden. Vulkanausbrüche, stillgelegte Bergwerke zeigen dies mehr als deutlich.

Noch deutlicher wird dies, wenn Wissenschaftler eine Zukunftsvision entwickeln, wie die Erde aussieht, wenn kein Mensch mehr gestaltende Hände anlegt.

Die Erde ein Gestaltungsraum, der einfach immer wieder neu in den Kreislauf einsteigt. Ist der Mensch da wirklich zu viel? Ist der Mensch derjenige, der die Erde ausbeutet? Ist der Mensch derjenige, der ihr keine Ruhe-Pause lässt? Oder ist der Mensch derjenige, der die Erde erschafft?

Weltkarte: Diese Karte zeigt die Verbreitung von Säugern schwerer als 45 kg pro 100x100 km in einer Welt ohne Menschen
Diese Karte zeigt die Verbreitung von Säugetieren schwerer als 45 kg pro 100×100 km in einer Welt ohne Menschen

Wenn der Mensch nicht mehr wäre, wer würde Visionen vom Verschwinden des Menschen und dem Entstehen einer anderen Erde haben? Es ist die berühmte Zen-Geschichte: Wenn im Wald ein Baum umfällt, macht er ein Geräusch?

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Macht er ein Geräusch, wenn er fällt?

Wenn wir derartige Szenarien als Menschen buchstabieren können, weshalb buchstabieren wir nicht einmal eine Welt ohne Krieg? Eine Welt, deren Rohstoffe in einem Kreislauf verwendet werden? Eine Welt, in dem der Mensch das Mitgefühl an die erste Stelle setzt? Eine Welt, die den Menschen mit seinem Bedürfnis nach gestilltem Hunger, nach einem Dach über dem Kopf und sauberes Wasser an die erste Stelle stellt vor jedem materiellen Wert? Wenn wir Menschen Szenarien bilden können, warum nehmen wir nicht ein Szenarium einer wirklich globalen Welt, die allen Menschen gleichermaßen das gleiche Recht auf Unversehrtheit einräumen? Reicht das weltweite Bedürfnis des Menschen nach Energie, Wasser und Lebensmittel nicht aus, so dass sich wirklich alle Regierungen der Welt an einen Tisch setzen und wirklich diese neue andere Welt buchstabieren, in Szene setzen?

Linguistik: Walsprache hat eine Grammatik - WELT
Die Verbindung von Welten nicht trennen, sondern eng miteinander verzahnen!

Warum Gewalt im Krimi, warum Science-Fiction mit Kriegen, warum Zerstörung als Grundlage buchstabieren? Ist der Mensch nicht „mehr als“ das? Ist der Mensch nicht Mensch, weil er gerade Visionen haben kann? Weil er das Universum im Großen und Kleinen betrachten kann? Heute mehr denn je durch die Wissenschaften.

Ist nicht im Angesicht der derzeitigen Weltsituation nicht die Frage nach Kontrolle wichtig, sondern die Frage: Was ist unsere Vision der Zukunft unserer Erde, unserer Welt? Sind die Menschen nicht die, die diese Frage stellen und Antworten entdecken können, die ungewohnt, neu, seltsam, anders, aufgeweckt und vielfältig sein können?

Sollten wir Menschen nicht der Vision wiedersprechen, die Hermann von Keyserling 1926 in seinem Buch „Die neuentstehende Welt“ schreibt.

„Der Fortschrittsgedanke ist zum Evangelium der Massen geworden, deren Idealbild der Chauffeur, der technisierte Wilde ist.“ (Keyserling 1926, S. 95)

Führt uns nicht gerade dieser Fortschrittsgedanke zu einem neuartigen Virus, der viele Menschen erkranken, jedoch auch gesunden lässt. Ist nicht die Antwort des Menschen mit und in der digitalen Welt, die gerade ungestimmt in den Himmel wächst wie der Turmbau zu Babel, genau der technisierte Wilde vor dem Keyserling warnt?

Der moderne Turmbau zu Babel
Brueghel Ältere: Der Turmbau von Babel. Kunstdruck ...
Der alte Turmbau zu Babel, Bild von Brueghel der Ältere

Wir Menschen sind „creators“, sind Schaffende und Erschaffende. Der Beginn jeder Vision, jeder Idee, jedes Handels liegt irgendwo auf dem Grund eines geistigen Schaffens. Wir Menschen können diese gestaltende Kraft für alle oder gegeneinander einsetzen. Keyserling erinnert daran, dass „in der heutigen Welt auf dem Übertragbaren der Haupakzent [liegt], und genau wie der Funkspruch in wenige Sekunden die Weltmeere überfliegt, so löst jeder Gedanke in kürzester Frist alle extensiven wie intensiven Wirkungen aus, die als Möglichkeiten in ihm liegen. Deshalb haben Fehlgedanken so katastrophale Folgen, wie ehedem nur kosmische Katastrophen.“ (Keyserling 1926, S. 116)

Die schnelllebige digitale Welt existierte 1926 noch nicht, dennoch beschreibt Keyserling sie mehr als treffend. Jeder Mensch ist mit einem Fingerdruck mit einem Gedanken unterwegs. Jeder Fingerdruck trifft eine Entscheidung, wie jedes Blatt Papier, dass Kontrolle verlangt.

Digitale Welt, konzeptuellen Kunstwerk Stockfoto, Bild ...
Jede Null. Jede Eins. Ein geformter Gedanke der digitalen Raum-Zeit.

Kontrolle ist das Ende von Verantwortung, von Selbst-Denken, von Freiheit, von Demokratie. Mehr Kontrolle ist der Anfang von einer Welt, die sich in ihrer Gutmütigkeit scheinbar bezwingen lässt, deren Güte jedoch weit darüber hinausgeht. Sie lässt die Menschen nach Krankheit wieder auferstehen. Sie lässt die Menschen in ihrer unvorstellbaren Güte nicht allein. Sie trägt sie hindurch durch die Krisen und reicht immer noch einmal das Tablett herum, damit wir nicht hungern und dürsten.

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Zukunfts-Vision – eine grüne Stadt – Klima – Nahrung – Lebensraum!

Sie hält uns den Spiegel vor. Sie ist das größte Vorbild, was wir Menschen direkt vor unserer Nase haben. Ihr Spiegel lehrt uns unsere mögliche Gutmütigkeit im Umgang mit uns allen. Dabei ist der wichtigste Schritt für die Menschen, dass ein jeder um sich und seine Eigenschaften weiß. Wie sieht meine Macht aus? Wie sieht meine emotionale Gier aus? Was will ich auf keinen Fall? Was will ich auf jeden Fall und warum ist das so?

Darauf verweist Keyserling noch einmal ganz deutlich, indem er darauf hinweist, dass die Bestimmung des eigenen Selbst ausschlaggebend ist.

„In dieser Wende aber kommt schlechthin alles auf gesteigerte Selbstbestimmung an.“ (Keyserling 1926, S. 139)

Nehmen wir diese Selbst-Bestimmung ernst, dann ist Kontrolle ein Wort von Gestern, dann ist Katastrophenfall ein Tun von gestern, denn die Türen sind dann auf für Menschen, die sich selbst besser kennen als jeder Arzt, Wissenschaftler oder Mystiker. Jeder Mensch ist dann ein Wissen-schaftlerIn und ein MystikerIn, weil sie sich selbst entdecken in den Bereichen ihres ganzen Seins.

Dies ist eine Vision eines Menschen für Menschen mit Menschen. So entsteht Freiraum für die Gutmütigkeit des Menschen, der seinem Spiegelbild der gutmütigen Erde vertrauend, dieses Spiegelbild die „Grausamkeit“ nimmt und eintauscht gegen „Frieden“.

So wünsche ich uns allen eine gutmütige Seele, die uns als Menschen zu menschlich würdigen Entscheidungen führt, einschließlich der Entscheidung Sterben und Krank-Sein zu erlauben.

Ein Dank an die unerschütterliche Kraft einer gutmütigen Erde.

Literaturverzeichnis

Hermann Keyserling, un filosofo viaggiante | Wall Street ...
Hermann von Keyserling

Keyserling, Hermann (1926): Die neuentstehende Welt. Darmstadt: Reichl. Online verfügbar unter https://schuledesrades.org/palme/schule/neuewelt/?Q=4/7/64/9.