„Das ist es, was ihr vergessen habt.“

„Sie machen eine Party, um die einzige Wahrheit zu feiern, die es gibt: dass sie alle hier und jetzt gemeinsam auf diesem Planeten sind.“ (355)

Unser Zenhof Rödental hat eine kleine Bücherecke eingerichtet. Dort treffen sich jetzt die verschiedensten Bücher der verschiedensten Menschen. Da ich im Zenhof lebe, habe ich freien Zugriff auf die angebotene Literatur, die jetzt aus Juli Zeh mit dem Titel „Über Menschen“ bestand.

Als Philosophin interessiert mich alles, was ich „über Menschen“ und „Über Menschen“ erfahren kann. Das Buch ist ein Volltreffer. Ich habe selten einen Roman gelesen mit so vielen wunderbaren Sätzen.

„Das ist es, was ihr vergessen habt“, ist nur ein Teil des vollständigen Satzes. Die vollständige Stelle heißt: „Zusammen mit ein paar Leuten geht alles leicht. Das ist es, was ihr vergessen habt.“ (Zeh, Über Menschen, 2021, 366)

Nur zusammen ist so etwas möglich!

Mich erinnerte dieses Buch mit diesen wunderbaren nachdenklich machenden Sätzen an ein anderes Buch, das ich vor vielen Jahren las und George Orwell geschrieben hat. „Der Weg nach Wigan Pier“. Auch dieses Buch enthält Sätze, die einfach so wie sie sind ein Volltreffer sind. Und auch dieses Buch erzählt von einem „Zusammen“, das nachdenklich macht.

Empfehlenswert!

„Zusammen mit ein paar Leuten geht alles leicht. Das ist es, was ihr vergessen habt.“ Ich glaube, dass wir nicht nur das vergessen haben, sondern noch viel mehr, was mit diesem „zusammen mit ein paar Leuten“ zusammenhängt. Die letzten Jahre haben uns noch mehr das „Zusammen“ vergessen lassen, so dass heute ein „Zusammen“ oftmals nicht einmal mehr in der Familie existiert.

„Ich“ ist groß. „Narzissmus“ ist groß. „Mein“ ist groß. „Mehr“ ist groß. „Das will ich nicht wissen“ ist groß. Wissen wollen wir nur, wann der Spritpreis sinkt. Für wen? Wissen wollen wir nur, wann können wir wieder in Urlaub fahren. Für wen? Wissen wollen wir nur, wann wir in den Geschäften wieder unbegrenzt einkaufen können. Für wen? Wissen wollen wir, wann unser neues Auto geliefert wird. Für wen? Wissen wollen wir, ….., mit der Frage: Für wen?

Narziss, Ölgemälde von Caravaggio, 1594–1596, Galleria Nazionale d’Arte Antica, Rom

Wenn sie eine der Fragen nicht mit „für mich“, sondern „für uns alle“ beantwortet haben, ganz echt, dann meine ich: Sie sind kein hoffnungsloser Fall!

„Zusammen mit ein paar Leuten geht alles leicht. Das ist es, was ihr vergessen habt.“ Dieses Zusammen ist nicht reduziert auf eine Stadt, auf ein Bundesland, auf einen Staat, auf einen Kontinent, auf eine Welt.

Zusammen geht alles leicht, ist zu allererst übertragbar auf unseren eigenen Körper und Geist. Fügen sich alle Zellen und Gedanken, alle Bewegungen und körperlichen Aktivitäten zu einem Zusammen, dann sind wir weniger krank, leiden weniger, sind ausgeglichen und somit für ein „zusammen mit ein paar Leuten“ bereit.

Sind diese ersten grundständigen „Zusammens“ gestört, stört dies auch das „zusammen mit ein paar Leuten“. Die letzten zwei Jahre haben offengelegt, auf wessen Weg wir sind. Wir entfernen uns immer mehr von diesem „zusammen geht es leicht“. Ein jeder stapft vor sich hin, möglichst nicht rechts und links gucken, denn es könnte ja ein ansteckendes Virus um die Ecke kommen. Hilfe.

Ein Wunderwerk der Natur unser Körper! Es gibt keine Perspektive, keine Form, die es nicht gibt. Er bietet alles!

Auch ein schöner Satz von Juli Zeh: Und ob ich etwas Besseres bin! Hundertmal besser als du!“ (Zeh, Über Menschen, 2021, 367) Dieser Satz wurde in den letzten Jahren häufig auf Menschen angewendet, die sich nicht haben „impfen“ lassen, die ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit ernst nahmen und nehmen. Bei den derzeit steigenden Krebsraten könnte man meinen, dass dies nicht unklug war. Die Zahl steigt nicht nur wegen eines nicht gemessenen „zusammen von ursprünglicher Erkrankung, Impfstoff und Covid-Erkrankung“, sondern auch weil „zusammen genommen“ weniger diagnostiziert und somit weniger therapiert wurde.

Hier sei dahingestellt, ob dies ein gesunder oder weiterhin krankmachender Weg ist. Ich persönlich habe in den letzten Jahren viele Freunde an Krebs verloren, trotz Diagnose und Behandlung. Manch einer von ihnen hat mehr gelitten als gelebt. Übrigens ein empfehlenswertes Buch „Und noch eine Runde auf dem Karussell“ von Tiziano Terzani.

Der ehemalige Spiegelredakteur Tiziano Terzani beschreibt seine Geschichte seines Krebses. Mehr als lesenswert mit viel Weisheit!

Es gab eine Zeit, da wurden Menschen daheim gesund gepflegt oder solange daheim gepflegt bis sie die Augen zumachten. Irgendwie scheinen wir dieses „Zusammen“ auch immer weiter von uns wegzudrängen. Es gibt ja diese Einrichtungen, um deren einrichtungsbezogene Impfpflicht gerade nachgedacht wird, wie diese umgesetzt werden kann.

Merkwürdigerweise fällt niemandem auf, dass auch hier plötzlich kein „zusammen“ mehr existiert. Sondern die da, die müssen. Wir können wählen. Wir sind ja was Besseres.

Was ist heute für uns noch von Wert in diesem „Zusammen“? Wann stehen wir für ein „Zusammen“ auf? Für eine Ukraine, ja? Für ein Somalia, nein? Benefizveranstaltung für die Ukraine ja, für Somalia, Afghanistan, Kongo, Pakistan, nein? Wo beginnt unser „zusammen“ und wo endet es?

Eines steht fest, diese Erde und dieses Universum kennt nur Eines. Das ist Eins. Das ist schon immer „zusammen“. Wenn in Japan, in Russland, in Hawaii oder sonst wo ein Atomkraftwerk explodiert, so sind wir davon ebenso betroffen. Luft, Wasser, Erde sind ungetrennt. Sie sind zusammen wie die Wolken am Himmel, so wie die Flüsse und Ozeane der Meere, wie Pilzkulturen und Tierwelten, die unser Leben erst ermöglichen.

Wer von uns denkt darüber nach, dass wenn er sich in sein Auto setzt, auf ein „zusammen“ so stark zurückgreift, dass jede Bewegung des Autos in einer Unmöglichkeit enden würde, wenn es dieses „zusammen“ nicht gäbe. Material, Arbeitskraft, Straßenbau, Planungen, Rohstoffe, Arbeitende – abertausende von Händen, die es leichtgemacht haben, ein solches Gefährt fahren zu können. Wer von uns sagt Danke für dieses „zusammen“?

Ohne Hände kein einziges Ding in unserer HAND!

Stellen Sie sich einmal vor, alle Frauen täten sich zusammen, die unter 1500 Euro netto verdienen? Sie bekämen kein Brötchen mehr. Ihre Toilette auf der Arbeit würde nicht mehr geputzt. Die Pflege ihrer Eltern müssten sie selbst übernehmen. Keine Tankstelle würde bedient. Kein Krankenhaus mehr geputzt. Nicht einmal der Bundestag in Berlin.

Wenn alle Frauen der Welt sich zusammentäten, könnten wir ganz leicht, jeden Krieg beenden, weil wir weder unsere Söhne noch unsere Männer gehen lassen würden. Und gingen sie, so würden wir uns ihnen in den Weg stellen. Schießen sie ihre eigenen Frauen, Mütter und Kinder tot?

Wenn alle Landes-Väter und Landes-Mütter sich zusammentäten, könnten wir leicht, den Frieden auf der Welt herstellen und unsere Probleme wie Wasser, Nahrung, Bildung, Luft, Rohstoffe und Energie lösen.

Wenn wir alle Menschen bewegen könnten, sich nicht als etwas Besseres zu fühlen, sondern die Gleichheit aller Menschen anerkennen würden, dann gäbe es keine Bilder mehr in den Nachrichten von verhungernden Kinder in Afrika.

Wie können Menschen des so modernen und aufgeklärten 21. Jahrhunderts so etwas zulassen? Wie ist es möglich, dass das Geld für einen Panzer mehr zählt, als das Geld für die Selbstständigkeit eines Staates? Wie ist es möglich, dass Menschen, diese Barrieren hochziehen und ein „zusammen vergessen“, wo wir doch alle einfach Menschen sind?

Rainer Maria Rilke schrieb einmal und ich glaube, dass passt derzeit mehr als vorstellbar ist: „Ist es möglich, daß man Jahrtausende Zeit gehabt hat, zu schauen, nachzudenken und aufzuzeichnen, und daß man die Jahrtausende hat vergehen lassen wie eine Schulpause, in der man sein Butterbrot ißt und einen Apfel?

Ja, es ist möglich.

Ist es möglich, daß man trotz Erfindungen und Fortschritten, trotz Kultur, Religion und Weltweisheit an der Oberfläche des Lebens geblieben ist? Ist es möglich, daß man sogar diese Oberfläche, die doch immerhin etwas gewesen wäre, mit einem unglaublich langweiligen Stoff überzogen hat, so daß sie aussieht, wie die Salonmöbel in den Sommerferien?

Ja, es ist möglich.

Ist es möglich, daß die ganze Weltgeschichte mißverstanden worden ist? Ist es möglich, daß die Vergangenheit falsch ist, weil man immer von ihren Massen gesprochen hat, gerade, als ob man von einem Zusammenlauf vieler Menschen erzählte, statt von dem Einen zu sagen, um den sie herumstanden, weil er fremd war und starb?

Ja, es ist möglich.“

Rainer Maria Rilke

Ist es möglich, dass wir trotz unserer Wissenschaften, trotz unserer technischen Entwicklung, dass wir trotz unseres naturwissenschaftlichen Wissens, vergessen haben, was ein „zusammen leben“ auf ein und derselben Erde heißt?

Ist es möglich, dass die Entwicklung eines Panzers, eines Gewehres mehr zählt, als die Entwicklung von eigenständigen Lebensweisen in verschiedenen Zonen der Welt?

Ist es möglich, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert werden soll, wie hoch der Rüstungsetat ist, aber es immer noch kein Recht auf Wohnen, auf Bildung, auf Arbeit im Grundgesetz gibt?

Ist es möglich, dass die wirtschaftliche und politische Liga immer noch nicht verstanden haben, dass nicht das Geld uns alle zusammenhält, sondern das lebendige Leben eines jeden Menschen?

Ein ausgezeichnetes Zusammen erschien jetzt als Dokumentation in Arte:

Kadoua und die Elefanten

Ein Elefant -eine Nuss – eine Karitébutter – Frauen – Schulgeld – Seife – Frankreich – so einfach! So deutlich!

Ist es möglich, dass ein jeder Mensch auf der Welt immer noch nicht begriffen hat, dass wir alle im selben Boot sitzen? Ein Boot, dass Erde heißt?

Wie können wir als die gegenwärtigen Menschen, diese Fragen in ein gutes zusammenhängendes Leben verwandeln? Was können wir als ein Jeder tun, dieses zusammenhängende Leben auf der Erde lebendig werden zu lassen, zum Wohle und zum Frieden aller?

Fangen wir an. Hier. Genau hier. Gemeinsam. Zusammen. Steht auf und fasst Euch an die Hände. Ihr wisst nicht, wie lange es noch Hände gibt, die ihr festhalten könnt. Ihr wisst nicht, wie lange es noch Hände gibt, die euer Leben möglich machen in diesem großen Zusammen?

Hier. Jetzt. Ist der Beginn für alles. Nicht warten. Denn wir wissen nicht, ob ein Morgen existiert! Das Gefühl des „zusammen geht es leicht“, „zusammen vergessen wir nicht so schnell, was einmal war“, „zusammen leben in einer ganzen Welt“ kann uns nur gelingen, wenn wir es tun!

Daher meine Bitte: Fangt an! Zusammen! Hand in Hand! Vergesst dieses Zusammen niemals, denn „Zusammen“ bedeutet „Wir alle“! Hier, genau Hier! Keiner von uns würde existieren können ohne einen anderen Menschen. Wir wären nicht einmal hier. Was also sollte uns hindern, die Hände, die Herzen, den Kopf, den Geist für alle zusammen offen zu halten? Was sollte uns hindern?

Hand in Hand together we walk along in this world.

Vom Keller bis zum Dachboden. Von der Nähe und der Distanz.

Als ich jetzt meine Wäsche auf dem Dachboden zum Trocknen aufhing, fiel mir ein Gedanke auf, den ich dabei dachte. Vom Keller bis zum Dachboden sollte immer alles aufgeräumt und sauber sein. Wir wissen jedoch, egal, ob wir in einem Haus oder in einer Wohnung wohnen, dass dies fast nicht möglich ist. Im Keller oder auf dem Dachboden landen die Dinge, die wir nicht jeden Tag brauchen. Einige stellen wir nach Jahren fest, brauchen wir nie wieder und entsorgen sie endlich. Dabei stellen wir fest, dass sie verstaubt und verschmutzt sind.

Dachboden, Stall, Gerümpel, Eisen, Metall, Holz, Alt

Als ich jetzt im Zen-Kloster in Frankreich im Ryomon-ji war, musste ich während einer Arbeitsperiode den Keller mitputzen. Es war eine Ecke, die lange nicht gereinigt worden war. Spinngeweben zierten das Fenster. Die dort befindlichen Gegenstände schmückte verkrusteter Staub. Wir hatten ordentlich zu scheuern. Das Wasser musste mehrmals gereinigt werden.

Hatto Ryumon-Ji Dana-Haus
Ryomon-ji

Wir können nicht verhindern, dass sich in unserem Keller und Dachboden und sogar in unseren Wohn- und Lebensräumen Staub und Schmutz ansiedelt. Die Aufgabe, immer wieder neu für Sauberkeit zu sorgen, löst bei mancher Hausfrau und manchem Hausmann ein Stöhnen aus. Es ist eine Sisyphus – Arbeit. Wir fangen an. Wir fangen an. Wir fangen an. Es nimmt kein Ende.

Sisyphos-Darstellung Tizians

Übertragen wir dies auf uns selbst. So ist es hier nicht anders. Unser eigenes Haus, unser Körper, unser Geist und unsere Seele bedarf einer permanenten Reinigung. Auch hier siedelt sich Schmutz und Staub an. Bekannter als Schmerz, als Krankheit, als Gebrechen, als Wunde. Dieser Schmutz verdeckt unsere eigenen Schönheiten, Besonderheiten und individuellen Eigenheiten. Er verhüllt unser eigenes Sein.

Wir wissen jedoch, dass es anstrengend ist, Schmutz abzuscheuern. Daher drücken wir uns gerne davor. Lieber legen wir uns an den Strand oder in die Hängematte und lassen es uns gutgehen. Soll doch der Andere den Schmutz wegmachen. Wenn Menschen von der Autobahn abfahren und ihren Müll aus dem Fenster werfen, steckt dahinter nicht der Gedanke, die Autobahnmeisterei muss ja etwas zu tun haben? Dabei wird völlig übersehen, dass es immer schon genug zu tun gibt.

30 Tonnen Müll sammeln sich an den Autobahnen
In Berlin … Bei typischen Kleinabfällen wie Kippen, Einwegbechern oder Kaugummi beginnt das Verwarnungsgeld … bei 55 Euro.
Die Beseitigung von Abfällen aus dem Auto verursacht jedes Jahr Kosten im sechs- bis siebenstelligen Bereich. (https://www.adac.de/verkehr/recht/bussgeld-punkte/strafen-muell-aus-dem-auto/)

Menschen, die so etwas tun, werfen nicht nur diesen Schmutz nach außen, sondern sie werfen ihren eigensten Schmutz nach außen. Menschen sagen, dass sie sich von Tieren unterscheiden, weil sie denken können, weil sie Bewusstsein haben. Doch, in dem Moment, wo die Autoscheibe per Knopfdruck runtergeht, der Arm sich hebt und das Papier hinausfliegt, was denkt da? Welches Bewusstsein ist das? Ist es das Bewusstsein, dass sich die Frage nach dem Klima stellt? Ist es das menschliche Denken, dass in größere klimatische und menschliche Zusammenhänge denkt? Ist hier nicht Distanz zu anderen Lebewesen spürbar? Der Andere als der Fremde. Das Andere als das Fremde, obwohl wir alle auf derselben Erde leben?

In der Zeit eines Virus ist Distanz zum Alltags-Wort geworden. Ist die Benutzung und das Handeln durch dieses Wort nicht auch verkrusteter Staub und Schmutz in diesen Monaten unseres Lebens geworden?

Ein Staub, ein Schmutz, der die Nähe des Menschen zueinander verdeckt? Ein Staub, ein Schmutz, der das soziale Wesen Mensch verhüllt?

Schmutz von außen reinigen wir. Wie sieht es mit dem Schmutz von innen aus?

Die Vorsilbe „dis“ steht für „entzwei“. Was entzweien wir gerade in dieser Welt von Masken und Distanz? Was vermummen wir wirklich? Was bringen wir in eine Unsichtbarkeit?

Ein Freund erzählte mir vor kurzem, dass seine Frau vom Einkaufen sehr traurig nach Hause kam. Sie hatte folgendes erlebt. An der Kasse im Supermarkt stand eine Frau vor ihr, die im Einkaufswagen einen Säugling in seinem Korb hatte. Die Frau lächelte den Säugling, ca. drei Monate an. Sie haben sich sicherlich auch schon dabei beobachtet, dass sie dies tun. Doch, sie sagte, der Säugling reagierte gar nicht. Normalerweise lächeln die Kinder zurück. Dann erinnerte sie sich, dass sie eine Maske trägt. Das Kind konnte also das Lächeln gar nicht sehen. Sie stellte daheim die Frage an ihrem Mann: Wie lernt ein Kind jetzt, dass die Welt freundlich ist? Dass die Menschen gut sind? Dass der Andere ihnen nichts Böses will?

Züchten wir nicht gerade eine Angst vor dem Nächsten, wo doch jeder religiöse Glaube uns dazu auffordert, den Nächsten zu lieben wie sich selbst? Wenn wir den Nächsten aber nicht mehr sehen können, nicht mehr nah sein können, ihn nicht mehr erfahren können, ihn sogar fürchten als Infizierungsquelle, was ist dann noch Liebe zum Nächsten?

Die berühmte Schriftstellerin Zenta Maurina sagt: „Wenn der Mensch zur Selbstfindung der Einsamkeit bedarf, so braucht er zur Selbstvollendung das Du.“ „Menschliches Dasein vollendet sich im Du-Sein.“ (Auf der Schwelle zweier Welten, 1959, S.24-25, S.30) Das heißt, wir brauchen das Antlitz des Anderen, um uns selbst zu erkennen.  Wir brauchen eine Ruhe wie zum Beispiel die Meditation, um uns selbst zu entdecken, um uns selbst vom Schmutz zu reinigen. Wir brauchen jedoch auch das Du, dass uns wie ein Spiegel noch eine andere Welt von uns zeigt. Verstecken wir uns hinter einer Maske, rücken wir als Mensch vom Mensch weg, so nehmen wir uns die Möglichkeit, eigenen Schmutz zu erkennen und somit ihn zu entfernen. Er häuft sich an. Was entsteht, wenn der Schmutz nicht mehr abgetragen wird? Wo? Sowohl im Innern wie im Außen?

„Bisher wurden für Corona bedingte Zusatzreinigungen durch die Stabsstelle 60 000 Euro aufgewendet. Auch das Grünflächenamt hat noch mehr Aufwand betreiben müssen als sonst.“ (https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-muell-abfall-pizza-kosten-corona-krise-13797819.html, Müll im Park, Frankfurt versinkt im Müll: „Die Corona-Krise hat uns zurückgeworfen“, Christoph Manus)

Distanz führt also zu einer Entzweiung, zu einer Trennung von sich und seinem Tun und der Welt. Doch, der Müll der Welt verschwindet nicht einfach, wie die Forschung der Umwelt belegt.

Wir können einer Distanzierung, einer Entzweiung der Menschen und einer Anhäufung von Schmutz nur entgehen, wenn wir aufeinander zugehen, wenn wir den Schmutz als unseren Schmutz sehen, wenn wir den anderen Menschen nicht mehr als Ansteckungsgefahr sehen, sondern einfach als ein Mensch, wie wir selbst. Menschen waren und sind erfolgreich im Team. Allein kann kein Mensch überleben.

Als denkendes, fühlendes und soziales Wesen ist der Mensch derjenige, der sich selbst und anderes reinigen kann. Diese Reinigung gelingt nur von innen. Fangen wir an, uns selbst sauber zu halten, hält sich die Welt von selbst sauber. Es ist keine Distanz notwendig, keine Maske, denn gesund und sauber können wir uns nur halten, wenn wir selbst innerlich gesund und sauber sind. Dann haben wir auch keine Angst, vor gar nichts, weil wir wissen, dass wir überall gesund und sauber sind.

China, Buddha-Statuen, Religion, Skulptur, Wasser
Klares Wasser innen und außen. Klares Wasser zum Leben für alle.

Der alte weise Mann im Himalaya sagt: „Alles, was du außerhalb finden kannst, ist seinem Wesen nach wandelbar, unbeständig. …Nein, nichts, was außerhalb deiner selbst liegt, wird dir je die Erfüllung schenken. Die einzige Stabilität, die dir wirklich helfen kann, ist die innere….“ (Tiziano Terzani, Die letzte Runde auf dem Karussell, 685)