Ist Covid-19 ein Problem? Ist schwanger sein ein Problem? Ist seine Arbeit verlieren ein Problem? Ist verheiratet sein ein Problem? Ist kein Balkon haben ein Problem? Was überhaupt ist ein Problem? Kein Balkon haben, ist für den einen ein Problem, für den Anderen nicht. Ist ein Problem haben, individuell?
Können wir ein Problem lösen? Können wir ihm ausweichen, es umgehen? Ja, können wir. Nur wie lange? Hat nicht jeder von uns, dies schon einmal erlebt, dass dieses Problem immer wieder auftaucht? Wir werden es einfach nicht los. Immer wieder kehrt es zu uns zurück und verlangt Aufmerksamkeit von uns. Was bedeutet das? Diese Situation, dieses Problem möchte, dass wir es anschauen, dass wir uns ihm stellen. Weder verdrängen, noch verschieben, hält es davon ab, sich wieder bemerkbar zu machen.
Wie könnten wir also meinen, dass wir einem Virus ausweichen könnten. Es verlangt seine Aufmerksamkeit. Es fordert die Auseinandersetzung mit ihm. Es will keine Entscheidungen, die es auf ein Abstellgleis schieben, sondern es will gesehen werden, weil es steht für eine Erkenntnis. Die achtzigjährige Shundo Aoyama, eine Äbtissin eines Zen-Klosters in Japan schreibt in ihrem wunderbaren Buch „Pflaumenblüten im Schnee“, dass eine „Krankheit als Herausforderung begriffen werden kann, dass wir ihr erhobenen Hauptes und offenen Armen entgegen gehen, sie bei den Hörnern packen sollen.“ Ist ein Virus nicht eine Krankheit? Was will diese Krankheit uns lehren? Wo sollen wir hinschauen? Was ist zu tun?
All diese Fragen muss sich nicht nur eine Regierung stellen, sondern jeder einzelne Mensch auf dieser Welt. Ein Virus zeigt uns die Grenzenlosigkeit von Welt. Für das Virus existiert keine Grenze. Es ist überall dort, wo der Geist es herbeiholt, wo die Angst vor ihm am größten ist, wo es den Raum findet, um zu leben. Es entsteht, wie jedes Problem auf der Welt durch uns selbst. Also, was haben wir getan, dass es da ist, dass es uns auffordert: Schaut hierhin, hier bin ich? Hier stimmt etwas nicht.
Sollten wir uns nicht alle die Fragen stellen, was in unserem Leben ganz persönlich nicht stimmig ist, was einer Erneuerung bedarf, was Probleme erzeugt, die wir eigentlich nicht wollen, wo wir aber irgendwie immer wieder hineinrutschen? Was kann ein jeder Mensch tun, um sein eigenes Leben lebenswert, gütig und freundlich aufzubauen, um sich selbst, den Seinen und dem Anderen und den Anderen auf der Welt und in der Welt ein ebensolches zu tun?
Ist es nicht das Hinschauen lernen? Ist es nicht ein Hinhören? Ist es nicht ein ab und zu leise werden und nichts tun, um den Menschen als Menschen wieder zu finden?
Ist der Mensch nicht mehr als ein Roboter, der Handgriffe auf Programmierungen hin ausübt? Ist ein Mensch nicht gerade deswegen menschlich, weil er die Fähigkeit hat unentwegt eine neue Welt zu schaffen? Eine Welt, die Probleme schafft oder Probleme löst? Der Philosoph Hermann Keyserling sagt über ein Problem: „Wer ein fälliges Problem für sich löst, löst es zugleich für alle und für immer.“ (Keyserling 1927, S. 62)
D.h. wenn wir jetzt genau auf unser wirkliches Problem schauen, nicht auf ein Virus, sondern dass, was es möglich machte, dann lösen wir wirklich ein Problem für alle Menschen und somit für die Welt.
Ein jeder Mensch ist Mensch mit seinem ganzen Tun, mit seinem eigenen Ausdruck. Genau dies ist die Vielfalt der Welt. Genau dies lässt Antworten finden auf Fragen von Zukunft und Menschheit. Wann steht der Mensch für seine Menschlichkeit auf? Wann steht der Mensch für sein Mensch-Sein auf? Mensch sein, bedeutet Umarmung, bedeutet Zuhören, bedeutet gemeinsam schweigen, bedeutet gemeinsam handeln, bedeutet sich eine Welt bauen, die alle Menschen zufrieden leben lässt, bedeutet lieben und geliebt werden, heißt „rauf und runter“.
Wann steht der Mensch auf für sein eigenes Mensch-Sein, statt sich nach einem menschlichen Roboter zu sehnen?
Wann begreift der Mensch, dass seine Menschlichkeit, die Lösung der Weltprobleme erschafft? Er/Sie ist Derjenige/Diejenige, der Frieden sät oder Krieg. Er/Sie ist Derjenige/Diejenige, dem die Menschlichkeit mehr zählt, als die persönliche Angst vor einem Tod, der jeden von uns an der Stelle trifft, die für ihn bestimmt ist.
In dem wunderbaren Bilderbuch „Ente, Tod und Tulpe“
geht die Ente mit dem Tod durch das Leben. Am Ende ist der Tod traurig, dass die Ente den Fluss hinunter schwimmt. Sie hatten doch eine schöne gemeinsame Zeit. Die Ente lernte vom Tod. Der Tod lernte von der Ente. Also lasst uns den Tod in unserem Leben nicht vergessen. Er ist ein uns Lehrender. Wir sollten auch ihm zuhören lernen. Er ist sehr friedlich.
Letzten Montag hatte der Verein Zenhof Rödental e.V. eine Meditation am Kriegerdenkmal in Rödental.
Es entstand folgendes Gedicht, mit dem ich euch allen eine schöne Woche wünsche.
Menschen sitzen mit Abstand, lauschen den Geräuschen der Natur. Identifizieren Vögel, Autos, menschliche Stimmen, Musik. Fällt dies, kehrt Frieden ein. Der Frieden dieses Ortes, der durch die Menschen entstand, die vor langer Zeit genau diese Identifizierungen aufgaben. Egal wo und wie, irgendwo auf dieser Welt, in dieser Welt. Vertrauensvoll ließen sie einfach geschehen. Ahhhhhh.
Literaturverzeichnis
Keyserling, Hermann (1927): Wiedergeburt. Darmstadt: Reichl.
Ente Tod und Tulpe durfte ich grad für die Hospiz-Akademie lesen – danke für die Inspirationen – interessant ist auch der Klang der Worte, oftmals werden im Schauspiel grad deshalb die Worte gewählt, welch Stimmung verbreitet werden will und das ist bei Problem definitiv anders als bei dem Wort Herausforderung – engl challenge ist übrigens noch weicher und agiler …