Samstag, 25. April 2020 „Vom Wert der Kunst“

Dieses Bild von Renoir, Tanz in Bougival hat einen Wert von 77,688 – 101,592 EUR.

Kunst wird im allgemeinen einem Kreis von Menschen zugewiesen, die Bildung haben. Kunst ist das Gemälde von…. Kunst ist die Literatur von…. Kunst ist die Fotografie von…. Immer ist es wichtig, von wem die Kunst ist. Der große Dichter, Denker und Lesende Jorge Luis Borges schrieb einmal, dass es einmal eine Zeit kommen wird, in der die Schönheit des Werkes der Blickfang ist und nicht der „Wert auf die Namen oder Biographien der Dichter [gelegt wird, E. W.].“ (Borges 2002, S. 57)

Er spricht mir aus der Seele. Was ist Kunst? Kunst wird heute oft in finanziellen Werten gemessen. Kunst wird bewertet. Leider wird dieser Wert immer mehr mit einem Finanzwert gleichgesetzt. Ein Film ist nur etwas wert, wenn er entsprechende Summen einspielt. Eine Architektur ist nur ein Wert, wenn ein Name dahintersteht. Ein gutes Buch hat seinen Wert durch die Anzahl der verkauften Bücher. Dichtung wird repräsentiert von Altmeistern. Musik findet ihren Wert in ausverkauften Hallen.

Was ist Kunst? Kann Kunst auf derartige Werte reduziert werden? Passiert dann nicht das, was jetzt in diesen seltsamen Zeiten mit Kunst geschieht? Sie hat keinen Wert mehr. Sie hat keine Vertreter, die sich für sie einsetzen. Sie hat kein Gehör, denn auf sie kann man zuerst verzichten. Leerstehende Theater und Opernhäuser. Leerstehende Kleinkunsttheater. Leere Stuhlreihen bei Lesungen. Leere Stuhlreihen in Schulen. Egal, ob groß oder klein. Doch, was ist der wirkliche Wert der Kunst? Der Wert, der wichtiger ist als jedes Finanzmittel?

Einer der großen Philosophen Martin Heidegger schreibt in „Holzwege“:

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 „Der Anfang dagegen enthält immer die unerschlossene Fülle des Ungeheuren […]. Kunst […] ist Stiftung als Anfang. “ (Heidegger 1963, S. 63)

Hier steht ganz eindeutig, dass Kunst für einen Anfang steht. Warum schreibt Heidegger so etwas? Das Wort Kunst kommt, wenn wir in seine Vergangenheitsbedeutung gehen von „const“ (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaft 2017, 24.04.2020, Zugriff  Uhr)

Dieses Wort „const“ steht für „Wissen, Kenntnis und menschliche Befähigung“. Das ist der wahre Wert der Kunst. Menschen, die mit Kunst arbeiten, in der Kunst arbeiten, von der Kunst leben, sind Menschen, die sich immer wieder mit einem Anfang und der Fülle des Ungeheuren auseinandersetzen. Töne finden keine Ende. Immer wieder neu zusammengesetzt, ergeben sie eine ungeahnte Vielfalt. Buchstaben, trotz ihrer Endlichkeit, finden sich in tausenden von neuen Wortstrukturen wieder, bilden Romane, Dichtung, PoetrySlams und Kaberett. Bewegte Bilder erzeugen Fotografien, Kleinkunstfilmprojekte mit immer wieder neuen bewegenden Ideen. Ich persönlich liebe die Performance. Sie ist dem Moment gewidmet. Sie existiert nur einmal. Dann versinkt sie und steht in einem neuen anderen Kleid wieder auf. 

Kunst ist das, was in sich veränderten Zeiten, Lösungen präsentieren kann, an die keiner denkt. Künstler sind Menschen, deren Horizonte alternativ, innovativ und selbsttätig aktiv mit Intuition und Wissen arbeiten. Gerade diese Menschen sind Zukunftsförderer. Gerade sie sind Veränderer.

Daher nehmt die Kunst als Wissenschaft mit ins Boot. Vor allem, wir die Menschen sollten sie uns nicht nehmen lassen. Kunst ist ein Ausdruck von Freiheit. Es gibt diesen wunderbaren Film „Die Bücherdiebin“, zurückgehend auf den Roman von Markus Zusak. Interessanterweise zeigt dieser Film die Kindheit eines Mädchens im Faschismus aus der Perspektive des Todes. Das Heilmittel in diesem Film ist das Lesen lernen und die Bücherwelt. Das Mädchen rettet ein Buch vor der Verbrennung durch die Nationalsozialisten. Mit diesem Buch beginnt die Geschichte ihres Lesens. Das Vorlesen rettet einem versteckten jüdischen Freund, der schwer erkrankt, das Leben. Das Mädchen verliert bei einem Bombenangriff alles, was sie kennt. Mit 90 Jahren stirbt sie und der Tod fragt sich zum ersten Mal, wie es wohl sei, zu leben.

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In diesem Sinne lasst uns für die Freiheit aufstehen und unser Recht auf freie Beweglichkeit und Teilhabe an einem öffentlichen Leben einfordern. Es gibt nichts, was das verhindert, außer wir selbst.

Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber. Ein schöner Artikel lesenswert dazu: https://www.zeit.de/kultur/2018-08/angst-flucht-tod-we-the-people-10nach8

Literaturverzeichnis

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaft (2017): DWDS. Das Wortauskunftssystem zur deutschen Sprache in Geschichte und Gegenwart. Online verfügbar unter https://www.dwds.de/wb/w%C3%A4hrend, zuletzt aktualisiert am 12.01.2017.

Borges, Jorge Luis (2002): Das Handwerk des Dichters. München, Wien: Hanser.

Heidegger, Martin (1963): Holzwege. 4. Auflage. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann.

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