Das Wort „Auf-er-stehung“ ist in Zeiten von einem Virus, das eine Gesellschaft in Atem hält, denke ich, besonders angebracht. In der Praxis der Zazen-Meditation erleben wir „Auf-er-stehung“ hautnah. Atemzug für Atemzug kommt sie daher. Oftmals unbeachtet. Oftmals nicht freudig empfangen. Oftmals nicht gesehen. Oftmals nicht mit Dankbarkeit im Herzen freudig erwartet. Doch der Atemzug erlöscht und der Nächste steht auf.
Atemzug für Atemzug ist „Auf-er-stehung“ in uns, mit uns und durch uns. Ich freue mich darauf jedes Mal, wenn ich die Zazen-Praxis übe. Es ist ein großer Lehrmeister, denn der Atem ist so alt wie die Menschheit und wer weiß, wie alt wirklich?
Atemzug für Atemzug ersteht eine neue Welt. Sie ist verändert. Sie ist anders. Sie ist erneuert. Wir führen unserm Körper Sauerstoff zu. Wir sättigen ihn. Wir schenken ihm Sonne. Wir trinken Wasser. Wir schenken uns Bewegung. Mit all diesem Tun verändern wir die Strukturen unseres Körper und somit auch unseren Geist. Dennoch wollen wir so gerne das Gewohnte. Wir möchten dies und wir möchten das…. Wir wollen bestimmen. Es gibt jedoch erstaunlicherweise mehrere Arten des Bestimmens. Es gibt das starke „Ich“, das auf Biegen und Brechen die Richtung vorgeben will. Es gibt das Bestimmen, das total abgibt und andere machen lässt. Irgendwo dazwischen liegt eine Bestimmung, die irgendwie eine Richtung ist, aber nicht direkt wie ein starkes Wollen eingreift. Es ist dieses „Geschehen lassen“ und zuschauen, was da eigentlich passiert. Und mit diesem Wissen entsteht ein anderes Tun in diesem großen gesamten Geschehen. Es ist eine „Be-Stimm-ung“, die eine Stimme in uns selbst ist, die seltsamerweise sehr leise ist und dennoch, das wissen wir auch, selten eine falsche Richtung vorweist.
Sie ist ein Stimme, die die Welt kennt und daher in ihrer Stille, Einfachheit und Vertrauen darauf hinweist: Achte auf…. Sei bei Dir ….. Nimm dir Zeit…. Hör auf mit…. Oft überhören wir sie. Regeln, Gesetze, innere Kämpfe halten uns von der leisen Stimme ferne. Gerade in dieser Zeit ist sie jedoch sehr wichtig, denn sie sagt dem Menschen, was Menschlichkeit ist. Sie sagt ihm, was einen Menschen ausmacht. Dies ist nicht das Misstrauen in den Nächsten als Menschen, der mich infizieren kann, sondern es ist der mir Nächste als Mensch, der auch krank sein kann, der ängstlich ist, der Kummer hat und und und. Er ist der mir Nächste, der Vertrauteste, weil er Mensch mit mir ist. Auferstehen bedeutet auch, Auferstehen als Mensch. Auferstehen als Mitmensch. Auferstehen als Individuum mit freier Meinung. Auferstehung mit Anderen als soziale Gemeinschaft mit gleicher Be-Stimm-ung, weil egal, ob Chinese, Amerikaner, Afrikaner, Europäer, Asiate, Australier – eines sind wir alle.
Wir sind geboren und wir sind die Erbauer dieser einen Welt. Wir sind auf-er-standen. Warum und weshalb auch immer. Wir sind jetzt hier, um das zu tun, was unsere individuelle Aufgabe ist. Dies sollten wir mit Freude, Mut, Be-Stimm-ung und Richtung angehen. Eine Möglichkeit dies alles auf einmal zu erfahren, ist die Meditation Zazen, zu der ich Sie und Euch alle herzlich einlade.
In diesem Sinne ein frohes „Auf-er-steh-ungs-fest“!